Direktive JCS/1067

Deutschland wurde von den USA nicht „befreit“, sondern als Feindnation „erobert“ und „besetzt“. So lautete die eindeutige Anweisung des US-Generalstabs an die US-Truppen in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Deutschland sollte für „seine Verbrechen“ büßen. Auch wenn der „Morgenthau-Plan“ offiziell ad acta gelegt wurde, knüpften viele Regelungen im Potsdamer Protokoll an die Überlegungen des US-Finanzministers Henry Morgenthau junior an.

Henry Morgenthau jr. (1891-1967)
Henry Morgenthau jun. (1891-1967)1)Bildquelle: U.S. federal government. Gefunden auf Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain

Die Weisung JCS/1067 stammte von den Vereinigte Generalstabschefs (Joint Chiefs of Staff, JCS) und war an den Oberbefehlshaber der US-Besatzungstruppen, General Dwight D. Eisenhower, gerichtet. Sie bildete die Grundlage der amerikanischen Besatzungspolitik in Deutschland von Oktober 1945 bis Juli 1947 und stellte eine Umsetzung des „Morgenthau-Plans“ dar. Rache und Hass gegen den Feind waren die Motivation dahinter: „Deutschland wird nicht zum Zwecke der Befreiung besetzt, sondern als besiegte Feindnation.“ heißt es in Artikel 4b der Direktive. („Germany will not be occupied for the purpose of liberation but as a defeated enemy nation.“)2)Document: Directive JCS 1067 (English)

Viele der in Potsdam festgelegten Prinzipien für die Besatzungspolitik knüpfen an „Morgenthau“ an und verschärfen sie sogar teilweise (vgl. Potsdamer Protokoll, Art. III, Punkte 12-15)3)Dokument: Potsdamer Protokoll. Sowohl das, „Morgenthau-Programm“ als auch die „Potsdamer Konferenz“, zielten auf die Wandlung Deutschlands in ein Agrarland ab. Paradoxerweise wurde jedoch nicht nur die deutsche Industrie gründlich demontiert, sondern Deutschland wurde auch seiner wertvollsten Agrarflächen beraubt. Vor dem Ersten Weltkrieg konnte Deutschland noch 80% seines Nahrungsbedarfs selbst produzieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es nur noch 60%. Das Ergebnis war, dass Deutschlands Existenz noch stärker von Industrialisierung und Export abhängig war als vor dem Krieg.

Im Mittelpunkt der Zukunftsvorstellungen stand die paradoxe Politik, aus Deutschland ein Agrarland zu machen, während man ihm gleichzeitig seine wertvollsten Agrargebiete raubte und dessen Einwohner in den übervölkerten Rumpf verbannte, der nach den Niederlanden und Belgien die größte Bevölkerungsdichte in Europa aufwies.De Zayas, Nemesis von Potsam, 1954)Alfred M. de Zayas: Nemesis von Potsdam. Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, 8. Aufl., Herbig-Verlag, 2005, S. 190-198.

Offensichtlich betrachten einige amerikanische Historiker den Morgenthau-Plan heute als eine Wiederholung des Fehlers, der nach dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) begangen wurde. Anstelle „Milde für alle“ („Charity for all“) mussten die Südstaaten nach diesem verlustreichsten Krieg in der Geschichte der USA das alte „Vae victis“ („Wehe den Besiegten“) erfahren.

Entscheidend für das allmähliche Abrücken vom Morgenthau-Plan war aber die Besorgnis, Deutschland könne, als Elendsgebiet Europas von sozialen Unruhen geschüttelt, ins kommunistische Lager getrieben werden – wonach das übrige Europa folgen mochte.De Zayas, Nemesis von Potsam, 196.

Im Vergleich zu England, Frankreich und Italien erhielt Deutschland den geringsten Teil aus dem „European Recovery Program“ (ERP), dem wirtschaftlichen Wiederaufbauprogramm der USA für das zerstörte Westeuropa, das auch als „Marshall-Plan“ bekannt ist. Zusammen mit der qualifizierten Arbeitskraft der vor allem aus Ostdeutschland vertriebenen Bevölkerung trug diese „Finanzspritze“ maßgeblich zum „Wirtschaftswunder“ in der Nachkriegszeit Deutschlands bei. Innerhalb kurzer Zeit konnte Deutschland das Geld wieder an die USA zurückbezahlen.

 

Quellen

Quellen
1 Bildquelle: U.S. federal government. Gefunden auf Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain
2 Document: Directive JCS 1067 (English)
3 Dokument: Potsdamer Protokoll
4 Alfred M. de Zayas: Nemesis von Potsdam. Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, 8. Aufl., Herbig-Verlag, 2005, S. 190-198.