Luftschlösser
Bei seiner aktuellen Reise nach Polen verglich Horst Seehofer das deutsch-polnische Verhältnis seit dem Zweiten Weltkrieg mit einem Märchen. Davon ausgeschlossen blieben jedoch bis heute viele deutsche Heimatvertriebene, denen man Haus & Hof, Hab & Gut, und oftmals auch Leib & Leben geraubt hatte. Nie gab es dafür eine Wiedergutmachung geschweige eine Entschuldigung. Entpuppt sich evtl. das “Märchen” bei genauerem Hinschauen gar als “Luftschloss”?
Zahlreiche deutsche Printmedien von gestern und heute berichten tagesaktuell über die Polen-Reise des amtierenden deutschen Bundesratspräsidenten Horst Seehofer. Gemäß Hamburger Abendblatt betonte Seehofer dabei die “märchenhafte” Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses seit dem Zweiten Weltkrieg.1)Hamburger Abendblatt vom 26.07.2012 – http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article2351146/Seehofer-wirbt-fuer-gemeinsamen-Kurs-in-Euro-Schuldenkrise.html
In eine ganz andere Richtung scheint dahingegen das deutsch-tschechische Verhältnis gegangen zu sein: Immer wenn ein Ministerpräsident aus Bayern das östliche Nachbarland besucht oder auch wenn er nur die alljährlichen Landestreffen der Sudetendeutschen, prangert er die sog. “Benesch-Dekrete” an. Diese rassistischen Dekrete zementieren bis heute das Unrecht der völkerrechtswidrigen Vertreibung der Sudetendeutschen mit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Warum fordert also Horst Seehofer alleine die Tschechen zur offensiven Auseinandersetzung mit der Vertreibung der Sudetendeutschen auf, gegenüber den Polen erwähnt er jedoch mit keinem Wort weder die völkerrechtswidrige Annexion von einem Viertel des deutschen Territoriums noch die völkermordartige Vertreibung der Ostdeutschen durch Polen mit Hilfe von Stalin & Co.
Die gemeinsame Geschichte sei zwar „nicht ganz einfach“ aber derzeit sehe er keine Probleme zwischen beiden Ländern, wird Horst Seehofer von der Hamburger Abendzeitung zitiert.
Deutliche Worte gegenüber Tschechen und Lobhudelei gegenüber Polen? Das passt doch nicht zusammen. Würde Horst Seehofer gegenüber einem Vertreiberstaat genauso auftreten, wenn Bayern annektiert bzw. die Bayern vertrieben worden wären?
Als bayerischer Ministerpräsident vertritt Horst Seehofer momentan auch das Amt des Bundesratspräsidenten. Insgesamt geben sich er und seine Partei, die bayerische CSU, sehr patriotisch – z.B. im Zusammenhang mit der aktuellen Länderfinanzausgleichsdebatte. Auf der Internetseite des Deutschen Bundesrats, der “Vertretung der Länder” auf Bundesebene, heißt es u.a.:
“Durch den Bundesrat sind die Länder unmittelbar an der Willensbildung des Bundes beteiligt und wirken dadurch in die Politik des Bundes hinein.”
www.bundesrat.de2)http://www.bundesrat.de/cln_235/nn_9020/DE/struktur/struktur-node.html?__nnn=true
Als schlesische Patrioten, denen die Stimme im Bundesrat durch den Lauf der Geschichte verwehrt worden ist, rufen wir dem bayerischen Ministerpräsidenten zu: Erzählen Sie keine Märchen und bauen Sie keine Luftschlösser, sondern setzen Sie sich für eine echte Versöhnung von Polen und Deutschen ein, die niemanden – auch uns Heimatvertriebene nicht – ausschließt!