Erinnern und verstehen
Am diesjährigen Tag der Heimat unter dem Motto „Erinnern und verstehen“ sprachen neben der Vorsitzenden des Bund der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach MdB, auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Ihm wurde die Ehrenplakette des BdV verliehen. Der deutsche Schauspieler Hans-Werner Bussinger rezitierte mehrere Zeitzeugenberichte.
In einer bemerkenswert offenen und deutlichen Rede kritisierte die BdV-Vorsitzende Erika Steinbach die Kollektivstrafe für das Hitlerregime, der vor allem die Ost-, Sudeten- und Südostdeutschen unterworfen wurden. Anlässlich der Verleihung der Ehrenplakette des BdV an Erzbischof Robert Zollitsch, ging Frau Steinbach insbesondere auf das Schicksal der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien ein. Die Deutschen wurden unter der AVNOJ („Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens“), die von Josip Broz, genannt „Tito“, angeführt wurde, völlig entrechtet und kollektiv zu Volksfeinden erklärt. 170.000 von ihnen wurden in Todeslagern interniert. Der katholische Erzbischof von Freiburg musste als kleiner Junge mitansehen, wie sein erst sechzehn-jähriger Bruder und zahlreiche andere deutsche Zivilisten aus Philippsdorf (Filipova) niedergemetzelt und verscharrt wurden.
Es war, daran besteht für den jugoslawischen Bereich kein Zweifel, Völkermord. Damit fand die vierhundertjährige Siedlungsgeschichte der Deutschen auf dem Balkan ein grauenhaftes Ende.Erika Steinbach, Tag der Heimat 20081)Reden vom Tag der Heimat 2008, URL: http://www.bund-der-vertriebenen.de/presse/index.php3?id=769 – abgerufen am 6.09.2008
Die BdV-Vorsitzende betonte allerdings auch, dass die überlebenden Deutschen mit den Nachfolgestaaten Jugoslawiens in konstruktivem Dialog stehen. An verschiedenen Massengräbern wurden bereits eindrucksvolle Erinnerungsstätten eingeweiht. Am 20. September diesen Jahres wird es in Syrmisch-Mitrowitz (Lager „Seidenfabrik“) eine weitere Erinnerungsstätte geben.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch forderte in seiner Rede, die er im Anschluss an die Verleihung der BdV-Plakette hielt, dazu auf, die historische Wahrheit und Gerechtigkeit zu fördern und das Bewusstsein für das Unrecht von Vertreibungen auszubilden. Es dürfe keine Verdrängung oder gar Rechtfertigung der Vertreibungen geben. Wer all das Leid, das den Heimatvertriebenen angetan wurde, verdrängt, mache sie ein weiteres Mal zu Opfern, zu „Opfern des Vergessens“.
Ideologien, die Vertreibungen fordern oder rechtfertigen, richten sich letztlich gegen die Würde des Menschen. Deshalb ist es ein Gebot der Menschlichkeit, Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen jeder Art weltweit zu ächten und als Mittel der Politik zu verurteilen.Erzbischof Robert Zollitsch, Tag der Heimat 2008
Speziell würdigte Zollitsch die Charta der Deutschen Heimatvertriebenen, die am 5. August 1950 in Stuttgart proklamiert wurde. Er lobte die richtungsweisende Formulierung, die einerseits von Rache und Vergeltung Abstand nimmt, die andererseits jedoch auch nicht auf das Heimatrecht verzichtet. Unrecht bleibe Unrecht.
Mit dieser ausgewogenen Position haben sie den Frieden in Europa gefestigt und sind – auch stellvertretend für die Vielen in der Welt, die immer noch verfolgt und ihrer geografischen und geistigen Heimat beraubt werden – unbeirrbar für ein wesentliches Grundrecht des Menschen eingetreten. Sie halten bis heute daran fest, dass Unrecht Unrecht bleibt, ohne sich der Verbitterung auszuliefern.Erzbischof Robert Zollitsch, Tag der Heimat 2008
Erzbischof Zollitsch sprach sich ausdrücklich für eine Erinnerungsstätte zu Flucht und Vertreibung in Berlin aus. Sie werde nicht zu einer verküzten Sicht der Geschichte des Zweiten Weltkriegs führen. Diese Erinnerungsstätte werde nicht provozieren sondern ermahnen. Zollitsch veruteilte jeglichen ethnischen Nationalismus.
Wie die Vorsitzende des BdV, die ja auch Mitglied des Deutschen Bundestags ist, bekannt gab, und wie auch Bundesinnenminister Schäuble bestätigte, hatte das Bundeskabinett letzten Mittwoch einen Gesetzesentwurf beschlossen, ein „Erinnerungs- und Dokumentationszentrum“ im Deutschlandhaus in der Stresemannstraße in Berlin einzurichten. Statt „Sichtbares Zeichen“ oder „Zentrum gegen Vertreibungen“ wird es nunmehr wohl „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ heißen.
Weiterführende Hinweise:
Quellen
↑1 | Reden vom Tag der Heimat 2008, URL: http://www.bund-der-vertriebenen.de/presse/index.php3?id=769 – abgerufen am 6.09.2008 |
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