Ist die FDP demokratie- und frauenfeindlich?

…oder ist Guido Westerwelle einfach nur eine Fehlbesetzung im Amt als deutscher Außenminister? Westerwelle lehnt die Nominierung Erika Steinbachs für den Stiftungsrat von „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ab und mischt sich damit in die internen Angelegenheiten des Bundes der Vertriebenen ein. Vor wenigen Jahren posaunte die FDP noch groß, dass in Deutschland mehr Demokratie gewagt werden solle. Nun stellt die FDP „die Interessen unseres Landes“ über das Wohl vieler deutscher Bürger. Westerwelle biedert sich Polen an, das vornehmlich von deutschen Politikern gegen Erika Steinbach „eingeschossen“ wurde.

Gemäß dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte Guido Westerwelle dem BdV gedroht, bei der Nominierung für den Beirat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ klug vorzugehen, ansonsten würde er entscheiden. Neben dieser totalitär anmutenden Einmischung in die internen Angelegenheiten des BdVs betreibt Westerwelle unter dem Deckmantel der „deutsch-polnischen Versöhnung“ eine systematische Rufmordkampagne gegen Erika Steinbach – unterstützt von der FDP-Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger, die Steinbach „persönliche Ambitionen“ vorwirft. Der Spiegel sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Falle:

An dem mit einem Veto drohenden Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kommt sie nicht vorbei, da die Regierung mit einem einvernehmlichen Kabinettsbeschluss die Mitglieder des Stiftungsrats förmlich bestellen muss. Beugt sie sich aber dem Nein des Liberalen, könnte dies massive Verärgerung bei der konservativen Stammklientel der Union auslösen, immerhin die letzte wirklich treue schwarze Wählertruppe.

Spiegel Online, 17.11.20091)Sebastian Fischer, Spiegel Online, 17.11.2009, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,661738,00.html – abgerufen am 17.11.2009

Der Bund der Vertriebenen reagiert dahingegen zurückhaltend. Das BdV-Präsidium stehe zwar voll hinter Erika Steinbach, lasse aber bis auf weiteres den ihr zustehenden Platz im Stiftungsbeirat unbesetzt. Das schwarz-gelbe Bundeskabinett wird den Fall auf seiner ersten, zweitägigen Klausurtagung (17./18.11.09) auf Schloss Meseberg in Brandenburg besprechen.

Der Historiker Michael Wolffsohn erwartet gemäß Spiegel Online von dem liberalen Politiker Guido Westerwelle „Rationalität und Fairness“ und krisiert eine Profilierungssucht „auf dem Rücken der Vertriebenen“.

Der Europapolitiker Bernd Posselt sieht in Westerwelles Verhalten „eine Art Pseudo-Genscherismus“. Außenminister Genscher lag in der Zeit des Kalten Krieges im Clinch mit dem CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß in der Frage der Abwehr der kommunistischen Regime. Bei der aktuellen Diskussion gehe es aber lediglich um einen Stiftungsrat. Posselt verweist auf den Verkehrsminister Peter Ramsauer und den Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (beide CSU). Sie hatten zusammen mit Erika Steinbach gegen die Oder-Neiße-Grenze gestimmt, da noch „keine befriedigenden Lösungen“ für die „berechtigten Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen und der jenseits von Oder und Neiße lebenden Deutschen“ gefunden worden waren und sind.

„Man kann also Bundesminister werden, man kann Staatssekretär werden – aber einem läppischen Beirat angehören darf man nicht“, stellte Posselt verwundert fest. Liegt es daran, dass Erika Steinbach eine Frau ist? Mit einem Mann würde Guido Westerwellle sicherlich nicht so umspringen.

Unter dem Titel „Mehr Demokratie wagen – Vom Parteienstaat zur Bürgerdemokratie“ hatte die FDP auf ihrem 51. Bundesparteitag in Nürnberg im Juni 2000 gefordert, die Macht der Parteien zugunsten von mehr Bürgermacht zurückzudrängen:

Die Parteien haben in Staat und Gesellschaft eine Machtposition erreicht, die weit über das hinausreicht, was das Grundgesetz ihnen zuweist. Nach dem Grundgesetz sollen die Parteien an der politischen Willensbildung der Bürger mitwirken, diese aber nicht ersetzen. Die Parteien sollen zwischen Gesellschaft und Staat vermitteln. Ihnen ist keine herrschende, sondern eine dienende Rolle zugedacht und zugewiesen. Aus der Mitwirkung der Parteien ist aber die Inbesitznahme von Staatsgewalt geworden.

FDP, Bundesparteitag, 16./17. Juni 20002)Beschluss des 51. Ord. Bundesparteitages der F.D.P., Nürnberg 16./17. Juni 2000 – http://www.fdp-bundespartei.de/files/363/be_dem.pdf – abgerufen am 17.11.2009

Vergessen sind diese Worte. Guido Westerwelle setzt jetzt den ganzen Machtapparat seiner Partei in Bewegung um Erika Steinbach und ihren demokratisch legitimierten Verband zu desavouieren. Gemäß Tagesschau kritisierte der CSU-Chef Horst Seehofer den FDP-Vorsitzenden für seine ablehnende Haltung gegenüber Steinbach. „Wenn die Vertriebenen Frau Steinbach vorschlagen, dann sollten wir diese Willensbildung akzeptieren“, so Seehofer. Auch der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hatte Ende Dezember 2007 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf die Frage, ob Polen ein Vetorecht gegen die Besetzung des Stiftungsrates mit Erika Steinbach habe, betont, dass Polen Verständnis dafür haben wird, dass „über deutsche Personalfragen in Deutschland entschieden wird.“3)Interview von Bundespräsident Horst Köhler mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, URL: http://www.bundespraesident.de/dokumente/-,2.642817/Rede/dokument.htm – abgerufen am 17.11.2009

Guido Westerwelle sollte sich diese Worte zu Herzen nehmen und ebenfalls Verständnis dafür haben, dass der Bund der Vertriebenen ein selbstbestimmtes Nominierungsrechts hat!

Quellen

Quellen
1 Sebastian Fischer, Spiegel Online, 17.11.2009, URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,661738,00.html – abgerufen am 17.11.2009
2 Beschluss des 51. Ord. Bundesparteitages der F.D.P., Nürnberg 16./17. Juni 2000 – http://www.fdp-bundespartei.de/files/363/be_dem.pdf – abgerufen am 17.11.2009
3 Interview von Bundespräsident Horst Köhler mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, URL: http://www.bundespraesident.de/dokumente/-,2.642817/Rede/dokument.htm – abgerufen am 17.11.2009