Bronislaw Geremek und die Vertreibung der Deutschen
Der ehemalige polnische Außenminister Bronislaw Geremek sagte in einem Interview des Deutschlandfunkes am 21. Dezember 2007, dass nicht Polen die Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben hätten, sondern die Alliierten.
Anlässlich des Beitritts Polens am 21.12.2007 zum „Schengener Abkommen“, das auch für Polen nun den Wegfall der innereuropäischen Grenzkontrollen bedeutet, wurde der frühere Außenminister Polens, Bronislaw Geremek, vom Deutschlandfunk interviewt.1)Interview mit Bronislaw Geremek im Deutschlandfunk, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/714452 – abgerufen am 22.12.2007 Die zwei Stellen aus dem Interview, in denen sich Geremek auf die deutschen Heimatvertriebenen bezieht, sollen hier wortwörtlich wiedergegeben werden:
Auf deutscher Seite ist da der Versuch, den Blick auf den Krieg zu ändern etwa durch die Behauptung, Polen und andere osteuropäische Staaten hätten die Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben, während dies auf Beschlüsse der Alliierten zurückzuführen ist und es eine Verantwortung derjenigen gibt, die den Krieg begonnen haben.
[…]
In einigen Reden soll gezeigt werden, dass die Polen die Deutschen aus ihrer Heimat vertrieben haben. Damit wird die Geschichte gefälscht. Das waren nicht die Polen, sondern die alliierten Mächte. Die ersten Vertriebenen waren übrigens Polen, die aus einem Drittel des Gebietes des alten Polen ausgewiesen wurden.
Bronislaw Geremek
Es ist schon ziemlich unverfroren, wie der ehemalige polnische Außenminister die Verantwortung für das unermessliche Leid, das die deutschen Heimatvertriebenen mit Ende des Zweiten Weltkriegs unverschuldet erleiden mussten (wieviele von ihnen waren denn schuldig für die Gräueltaten von SS, Hitler & Co?), zum großen Teil den alliierten Siegermächten zuweisen möchte. Dabei hatten die polnischen Kommunisten gemeinsame Sache mit Stalin gemacht und letztlich durch den riesigen Zugewinn der deutschen Ostgebiete (um ein vielfaches wertvoller als die sog. „polnischen Ostgebiete“, die ja überwiegend überhaupt nicht polnisch waren) erheblich profitiert. Rigoros haben Polen sämtliche deutsche Spuren (Inschriften, Grabsteine etc.) in den früheren preußischen Ostgebieten, die nunmehr polnisch sind, eliminiert. Das waren keine Amerikaner, keine Franzosen und keine Engländer.
Wie aus dem Potsdamer Protokoll hervorgeht und wie auch US-Außenminister James F. Byrnes in seiner berühmten Stuttgarter Rede vom 6. September 1946 klar betont hat, einigten sich die alliierten Staatsoberhäupter nicht dahingehend, die Abtretung eines bestimmten Gebietes zu unterstützen. Die deutsch-polnische Grenze sollte erst auf einer Friedenskonferenz festgelegt werden. Aufgrund des Kalten Krieges fand diese abschließende Konferenz aber nie statt.
Außerdem muss man das Übereinkommen der „großen Drei“, deutsche Bevölkerungsteile aus „Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei“ „human und geordnet umzusiedeln“ als eine Notmaßnahme betrachten – angesichts der bereits begonnenen „wilden Vertreibungen“. Die Betonung liegt eindeutig auf „human und geordnet“.
Wenn nun polnische Autoritäten diese Anordnung als einen „Befehl“ zur Vertreibung der Deutschen betrachtet wissen wollen, bleibt immer noch die Frage, warum sie dann diesen „Befehl“ auch z. B. auf Schlesien ausgedehnt haben, das ja gegenüber Polen seit Jahrhunderten eine der stabilsten Grenzen Europas hatte. Schlesien, Pommern etc. blieben noch nach dem Zweiten Weltkrieg souveränitätsrechtlich Teil Deutschlands.
Waren wirklich Polen die ersten Vertriebenen? Für den Zweiten Weltkrieg stimmt das. Doch was ist mit den ca. 700.000 Deutschen, die nach dem Ersten Weltkrieg ihre Heimat, nunmehr in Polen gelegen, verlassen mussten? Man kann den Zweiten Weltkrieg nicht ohne den ersten verstehen.
Wann wird sich Polen endlich seiner Verantwortung gegenüber den deutschen Heimatvertriebenen stellen? Mit welchem Recht wurde den Ostdeutschen ihre Heimat und ihre Kultur geraubt? Wann wird sich in Polen endlich die Einsicht durchsetzen, dass Unrecht nicht mit Unrecht vergolten werden darf? Wann endlich werden die deutschen Opfer in Polen rehabilitiert sein?
Quellen
↑1 | Interview mit Bronislaw Geremek im Deutschlandfunk, http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/714452 – abgerufen am 22.12.2007 |
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15. Mai 2008 @ 12:47
Trostlos!
Ich habe selten einen so sachkundigen und fairen Artikel zum Thema Vertreibung der Deutschen gelesen, wie diesen! Ihm ist nichts hinzu zu fügen.
Es ist nur traurig, dass alle Bemühungen von deutscher Seite, und das schon beinahe unterwürfige Verhalten des BdV (Bund der Vertriebenen) und der deutschen Regierungen gegenüber den polnischen Tätern, zu einer Reaktion auf polnischer Seite führt, die von Ignoranz, Vertuschung,Geschichtsverdrehung und glatter Lüge gekennzeichnet ist. Polnische Offizielle vom Rang der Herren Geremek, Laszkewski, Kaczynski, Bartoczewski und andere stehen für dieses uneinsichtige und verstockte Verhalten. Herr Bartoczewski z.B. ist ein sehr alter Herr, der unendliches Leid von Deutschen erfahren hat, und dem , wie unzähligen anderen Polen, ein eventuelles getrübtes Verhältnis zur deutsch – polnischen Geschichte nicht zu verübeln wäre, war aber Aussenminister und ist immer noch Staatssekretär mit großer Verantwortung für unser gegenseitiges Verhältnis. Er verlangt öffentlich die Übernahme der eventuellen Kosten der Restitution, für von Polen vertriebene Deutsche, durch die Bundesrepublik. An solchen Zumutungen sieht man, dass sein ganzes beachtliches Lebenswerk für Annäherung zwischen Polen und Deutschen weniger auf Einsicht sondern eher auf Berechnung beruhte, Lippenbekenntnisse waren!
Solche ständigen Entgleisungen von polnischer offizeller Seite können jede Hoffnung auf eine von allen Beteiligten so sehnlich gewünschte Aussöhnung immer wieder zerschlagen. Zerschlagen weil sie zeigen, dass von polnischen Politikern die ehrliche, am besten die gemeinsame, Aufarbeitung der jüngeren Geschichte gefürchtet wird, wie vom Teufel das Weihwasser!
Ich kann aber nur vor der Hoffnung warnen, dass man glaubt, dass die biologische Lösung bei der Erlebnisgeneration, alle heute bestehenden Probleme beseitigen wird. Nur eine ehrliche Aufarbeitung der an den Deutschen begangenen Verbrechen auf polnischer Seite, wird zur Aussöhnung führen.das sagen alle geschichtlichen Erfahrungen (besonders doch auf polnischer Seite) und das sagt auch die Lehre der Psychologie. Die Polen selbst müssten eigentlich am besten wissen, dass durch Nachbarn zugefügtes Leid und Verbrechen nie verjähren („Noch ist Polen nicht verloren…“), nie vergessen werden.Auch alles Aufrechnen von gegenseitigen Greultaten wird nicht helfen, weil es unmoralisch ist und weil allein dastehende Völkerrechtsverbrechen an den Deutschen auch schon rechtlich nicht mit den alleine dastehenden deutschen Verbrechen an den Polen aufgerechnet werden können.Das haben wir Deutschen schon vor 60 Jahren begriffen, die Polen haben diese schmerzliche Erkenntnis noch vor sich – ich warte schon seit dem Fall des Eisernen Vorhanges darauf! Ein Lichtblick ist das meistens absolut unkomplizierte Miteinander zwischen uns einfachen Bürgern auf beiden Seiten, das gibt Hoffnung!
C.Pichlo, ein masurischer Patriot.