Links vor Rechts?

Einerseits verurteilt das bemerkenswerte Internetprojekt „Netz gegen Nazis“ in seinen „Statuten“ allgemein Gewalt „als Mittel der politischen Auseinandersetzung“ grundsätzlich, nimmt sie dann jedoch nur „aufs Korn“, wenn sie von „rechter Seite“ ausgeht. Auf dem „linken Auge“ scheint das Portal jedoch blind zu sein. Was ist bei dieser Titelwahl auch anderes zu erwarten? Doch lässt sich Gewalt polarisieren? Gibt es eine „gute Gewalt“ und eine „schlechte Gewalt“, je nachdem, wer sie ausübt?

Die Internetplattform „Netz gegen Nazis“ wurde Anfang Mai 2008 von der Wochenzeitung DIE ZEIT gemeinsam mit dem ZDF und fünf weiteren Mitinitiatoren ins Leben gerufen. Auf der Webseite des Vorgängerprojekts „Netz gegen Rechts“ aus dem Jahr 2000 heißt es: „Netz gegen Nazis“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, „Demokratie, Toleranz und Pluralismus in der gesamten Gesellschaft“ zu fördern, da Rechtsextremismus immer mehr Einfluss in Gesellschaft, Parlamenten, Organisationen etc. gewinne. Die Initiative möchte möglichst viele Menschen zu Aktivitäten gegen Rechtsextremismus ermutigen.1)„Netz gegen Nazis“ („Was wir wollen“), URL: http://www.netz-gegen-nazis.de – abgerufen am 25.09.2008

Soweit, so gut. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch dann heißt es weiter: „Wir grenzen uns dabei ab von Personen und Organisationen, die Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung befürworten.“ – Das klingt lobenswert, aber ist es auch wahr? Ein Blick in die Tagespolitik belehrt eines Besseren:

Jüngstes Beispiel wäre der „Anti-Islamisierungskongress“, den die „Bürgerbewegung pro Köln“ im Zusammenhang mit dem geplanten Bau der Großmoschee in Köln veranstalten wollte. Diese Veranstaltung war von den Behörden im Vorfeld demokratisch genehmigt worden.2)http://www.kongress.pro-nrw-online.de – abgerufen am 25.09.2008

Dennoch kam es neben friedlichen Gegen-Demonstrationen auch zu einem Aufmarsch gewaltbereiter Linksextremisten. Diese griffen nicht nur Polizisten an, sondern begingen auch zahlreichen Sachbeschädigungen. Laut der Online-Berichterstattung von „pro Deutschland“ attackierten diese „Antifaschisten“ „am Bezirksrathaus Rodenkirchen auch das 45-jährige deutsch-jüdische Mitglied des Bundesvorstandes der Bürgerbewegung pro Deutschland, Michael Kucherov“.3)Bürgerbewegung pro Deutschland, URL: http://www.pro-deutschland-online.de/index.php?option=com_content&task=view&id=175&Itemid=2 – abgerufen am 25.09.2008

„Pro Köln“ spricht von „proislamisch-pubertierenden Anlern-Steinigern“ und der Kölner Stadt-Anzeiger zitiert den nordrhein-westfälischen Innenminister Ingo Wolf (FDP): „Wer politisch Andersdenkende mit Steinen, Knüppeln und Fäusten angreift, ist genauso intolerant und undemokratisch wie diejenigen, die er bekämpft.“4)Kölner Stadtanzeiger, URL: http://www.ksta.de/html/artikel/1221977694229.shtml – abgerufen am 25.09.2008

„Netz gegen Nazis“ dahingegen verurteilt diese gewalttätigen Ausschreitungen „von Links“ hingegen weder ausdrücklich noch grenzt sich davon ab. Ist Gewalt also in Ordnung, wenn sie sich gegen den politischen (oder religiösen) Gegner richtet? Oder ist Gewalt wirklich als „Mittel der politischen Auseinandersetzung“ wirklich abzulehnen?

Die Camouflage der Gewalt ist vielfältig. Deshalb sollte Gewalt generell geächtet werden – unabhängig davon, ob sie „von links“ oder „von rechts“ ausgeübt wird. „Netz gegen Nazis“ beschreibt auf seiner Internetseite selbst das Verwirrspiel. Rechtsextremisten würden demnach das Erscheinungsbild der Linksextremisten übernehmen, um damit salonfähig zu werden: schwarze Kleidung, Kapuzen-Shirts, Halstücher und Baseballkappen (vgl. „Netz gegen Nazis – Woran man Nazis erkennt“).

„Netz gegen Nazis“ scheint auf jeden Fall auf einem Auge blind zu sein – nicht nur im Titel. Liegt es eventuell daran, dass dieses Portal vom ZDF mitgegründet wurde? Mit dem „Zweiten“ sieht man eben besser.

Quellen

Quellen
1 „Netz gegen Nazis“ („Was wir wollen“), URL: http://www.netz-gegen-nazis.de – abgerufen am 25.09.2008
2 http://www.kongress.pro-nrw-online.de – abgerufen am 25.09.2008
3 Bürgerbewegung pro Deutschland, URL: http://www.pro-deutschland-online.de/index.php?option=com_content&task=view&id=175&Itemid=2 – abgerufen am 25.09.2008
4 Kölner Stadtanzeiger, URL: http://www.ksta.de/html/artikel/1221977694229.shtml – abgerufen am 25.09.2008