UN-Resolution 1820 fordert Strafverfolgung

Am Ende des Zweiten Weltkriegs brach über die Zivilbevölkerung Ostdeutschlands eine furchtbare Odyssee herein. Sie wird bis heute durch das Unrecht, das von deutscher Seite ausging, verharmlost und entschuldigt. Doch Wahrheit und Gerechtigkeit setzen sich durch. Nicht nur werden verschiedene Seligsprechungsprozesse für die Opfer von Willkür und Gewalt eingeleitet. Mit der am 19. Juni 2008 verabschiedeten Resolution 1820 macht nun auch der UN-Sicherheitsrat Schluss mit der Straflosigkeit von systematischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die als Kriegsverbrechen bezeichnete werden und die die Tatbestandsmerkmale von Völkermord erfüllen können.

Kapelle in Saalfeld/Zalewo
Kapelle von Pfr. Bruno Weichsel in Saalfeld im Ermland
(Foto: Potsblits)

Um die Jahreswende 1944/1945 eroberten sowjetische Soldaten Ostpreußen, das „Land der dunklen Wälder und kristallenen Seen“, und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Systematische Vergewaltigungen, wahllose Erschießungen und Hinrichtungen von Zivilisten waren die Folge eines „Marschbefehls“, das „faschistische Tier“ zu erledigen und über Berlin die „Siegesfahne“ zu hissen.

Nur wenige Soldaten widersetzten sich der Rache an Unschuldigen

Im Tagesbefehl der 1. Weißrussischen Armee hieß es zu Beginn der Januaroffensive 1945 wörtlich:

Wir gehen nach Deutschland und hinter uns liegt Stalingrad, die Ukraine und Weißrussland; wir gehen durch die Asche unserer Städte und Dörfer, auf den Blutspuren unserer Sowjetmenschen, die zu Tode gequält und zerfetzt wurden vom faschistischen Getier. Wehe dem Land der Mörder! Nichts wird uns jetzt aufhalten!
Quelle: De Zayas, Die deutschen Vertriebenen, S. 81.1)Alfred M. de Zayas: Die deutschen Heimatvertriebenen. Keine Täter – sondern Opfer. Hintergründe, Tatsachen, Folgen, Ares-Verlag 2006.

Nur wenige russische Soldaten widersetzten sich der Rache an Unschuldigen. Zu ihnen gehörten z. B. Alexander Solschenizyn oder Lew Kopelew. Diese wurden verhaftet und in ein GULAG verbannt.

In Saalfeld (seit 1945 poln. „Zalewo“) im Ermland hatten am 23. Januar 1945 Frauen in der Kapelle des katholischen Pfarrers Bruno Weichsel Zuflucht gesucht. Als sowjetische Soldaten sich an den Frauen vergehen wollten, stellte sich Bruno Weichsel ihnen mutig entgegen. Das musste er mit seinem Leben bezahlen. Mit einem Gewehrkolben zerschmetterte ein Soldat ihm den Schädel, berichtete eine Augenzeugin. Das Blut spritzte auf die Wand und wurde lange Zeit nicht weggewischt. Menschen knieen dort öfters und beten wie zu einem Heiligen. Pfarrer Weichsel wurde mit anderen in einem Massengrab beerdigt. Sein Seligsprechungsprozess soll nun eingeleitet werden.2)Faltblatt der Diözese Ermland/Warmia zur Einleitung des Seligsprechungsprozess von Pfr. Bruno Weichsel

Ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus

Mit 23 Jahren wurde Bruno Weichsel 1927 im Frauenburger Dom zum Priester geweiht. 1932 wurde er erster Kaplan in Marienburg (dort, wo die bekannte Deutschordensburg steht). 1935 wurde er zusammen mit Domherrn Pingel und weiteren Kaplänen wegen Widerstand gegen den Nationalsozialismus verhaftet und in die Gestapozentrale nach Berlin gebracht. Erst nach 5 Monaten wurden sie entlassen. Im Januar 1941 wurde Bruno Weichsel, nunmehr Ordinariatsrat und Domvikar, mit vier weiteren Priestern erneut verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Nach seiner Entlassung war ihm der Aufenthalt in den Kreisen Braunsberg, Heilsberg und Heiligenbeil verboten. Im Juli 1944 übernahm er deshalb die Kuratie Saalfeld.

Pfarrer Bruno Weichsel ist ein klassisches Beispiel dafür, wie unmenschlich und unsinnig es ist, die „Rache“ an wehrlosen Deutschen mit Ende des Zweiten Weltkriegs zu verharmlosen und zu entschuldigen. Die, die verantwortlich für Verbrechen und Gräueltaten von deutscher Seite waren, hatten schon längst das Weite gesucht. Die, die aufgrund unnötiger „Durchhalteparolen“ und verzögerter Evakuation nicht rechtzeitig fliehen konnten oder fliehen wollten, weil sie z. B. sich nichts zuschulden kommen hatten lassen, wurden nunmehr Opfer von Verbrechen und Gräueltaten der Roten Armee und ihrer Verbündeten.

UN-Resolution verurteilt Einsatz von sexueller Gewalt als Kriegstaktik

Die am 19. Juni 2008 verabschiedete Resolution 1820 des UN-Sicherheitsrats verurteilt nun entschieden den Einsatz sexueller Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Mädchen gerichtet und als Kriegstaktik gebraucht, „mit dem Ziel, die zivilen Mitglieder einer Gemeinschaft oder ethnischen Gruppe zu erniedrigen, Macht über sie auszuüben, ihnen Furcht einzuflößen, sie zu zerstreuen und/oder zwangsweise umzusiedeln…“3)Pressemitteilung der Vereinten Nationen, URL: http://www.un.org/News/Press/docs/2008/sc9364.doc.htm – abgerufen am 27.06.2008

Trotz wiederholter Verurteilung der Gewalt gegen Frauen und Kinder in Situationen bewaffneten Konflikts würden solche Handlungen nach wie vor auftreten, seien in einigen Situationen systematisch und ausgedehnt geworden und hätten ein erschreckendes Ausmaß an Brutalität erreicht.

In diesem Sinne würden Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder eine die Tatbestandsmerkmale des Völkermords erfüllende Handlung darstellen.

Die Vereinten Nationen fordern alle Mitgliedstaaten zur strafrechtlichen Verfolgung auf

Der Weltsicherheitsrat betont,…

…dass sexuelle Gewaltverbrechen von Amnestiebestimmungen, die im Zusammenhang mit Konfliktbeilegungsprozessen erlassen werden, ausgenommen werden müssen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, ihrer Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung von Personen, die für solche Handlungen verantwortlich sind, nachzukommen, um sicherzustellen, dass allen Opfern sexueller Gewalt, insbesondere Frauen und Mädchen, gleicher Schutz durch das Gesetz und gleicher Zugang zur Justiz gewährt wird.
UN-Resolution 18204)UN-Resolution 1820, URL: http://www.un.org/Depts/german/sr/sr_08/sr1820.pdf – abgerufen am 27.06.2008

Straflosigkeit für solche Handlungen müsse im Rahmen eines umfassenden Konzepts für die Herbeiführung von dauerhaftem Frieden, Gerechtigkeit, Wahrheit und nationaler Aussöhnung ein Ende gesetzt werden.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Quellen

Quellen
1 Alfred M. de Zayas: Die deutschen Heimatvertriebenen. Keine Täter – sondern Opfer. Hintergründe, Tatsachen, Folgen, Ares-Verlag 2006.
2 Faltblatt der Diözese Ermland/Warmia zur Einleitung des Seligsprechungsprozess von Pfr. Bruno Weichsel
3 Pressemitteilung der Vereinten Nationen, URL: http://www.un.org/News/Press/docs/2008/sc9364.doc.htm – abgerufen am 27.06.2008
4 UN-Resolution 1820, URL: http://www.un.org/Depts/german/sr/sr_08/sr1820.pdf – abgerufen am 27.06.2008