Kein gutes Vorzeichen für Europa
Während der Verhandlung der Siegermächte in Potsdam (17. Juli bis 2. August 1945) fanden in England Unterhauswahlen statt. Clement Richard Attlee wurde Englands neuer Premierminister. Churchill musste abdanken. Ab 26. Juli 1945 führte Attlee die Besprechungen in Potsdam weiter. Winston Churchill betonte in seinem letzten Rechenschaftsbericht vor dem britischen Unterhaus, der zugleich seine erste Rede als Oppositionsführer war, am 16. August 1945, dass die „Ansichten der Sieger“ über „Ost- und Mitteleuropa“ voneinander abwichen.
Churchill kritisiert mit klaren Worten die Polen “zugestandene Westgrenze”, die er zwar als “provisorisch” bezeichnet, von der er aber auch weiß, dass Stalin kein Zentimeter dahinter zurückweichen wird:
Ich muss meine persönliche Meinung zu Protokoll geben, dass die Polen zugestandene provisorische Westgrenze, die von Stettin an der Ostsee längs der Oder und ihrem Nebenfluss, der westlichen Neiße, verläuft und ein Viertel des Ackerlands ganz Deutschlands umschließt, kein gutes Vorzeichen für die künftige Karte Europas ist.Churchill, 16. August 19452)Quellen zur Entstehung der Oder-Neisse-Linie (in den diplomatischen Verhandlungen während des Zweiten Weltkrieges), Gesammelt und herausgegeben von Gotthold Rhode und Wolfgang Wagner, Brentano-Verlag, Stuttgart 1956, S. 221, 231-236 u. 273ff.
Die „Großen Drei“ (USA, England, Sowjetunion) hatten sich zu Beginn der Konferenz auf „Deutschland in den Grenzen von 1937“ geeinigt (vgl. W.D. Leahy, I was there. London 1950, S. 466). Stalin jedoch forderte die „Oder-Neiße-Grenze“ und erklärte mehrmals, dass „in diesen Gebieten keine Deutsche mehr zurückgeblieben seien (vgl. W. Churchill, The second world war, 6. Bd., S.566-570) .
Churchill, der sich vor “vollendeten Tatsachen” stehen sieht, fragt nach dem Verbleib der 8 bis 9 Millionen Deutschen, die vor dem Krieg in diesem Gebiet gelebt hatten:
Besonders beschäftigen mich in diesem Augenblick die Berichte, die uns über die Bedingungen zukommen, unter denen die Vertreibung und der Auszug der Deutschen aus dem neuen Polen durchgeführt werden. Vor dem Krieg lebten acht bis neun Millionen Menschen in diesem Gebiet. Die polnische Regierung sagt, von diesen befänden sich noch 1,5 Millionen, die bisher nicht vertrieben wurden, innerhalb der neuen Grenzen…Churchill, 16. August 1945
Beide Behauptungen, die Stalins als auch die der polnischen provisorischen Regierung, waren unrichtig, denn am Tage der Kapitulation befanden sich noch über fünf Millionen Deutsche in den deutschen Ostgebieten und in Polen, und ihre Zahl dürfte durch Rückkehrer bis zum Sommer 1945 auf 5.650.000 angewachsen sein. Die Behauptungen wurden außerdem durch die Angaben des sowjetischen Außenministers Molotow Lügen gestraft, der am 9. April 1947 vor der Moskauer Außenministerkonferenz erklärte, die polnische Regierung hätte bis zum 1. Januar 1947 5.678.936 Deutsche ausgewiesen, und weitere 400.000 seien noch zurückgeblieben. (Vgl. Keesing’s Archiv der Gegenwart, Jg. 1946/1947, S. 1074, und W.M. Molotow: Fragen der Außenpolitik, Moskau 1949, S. 454-457.)
Nun, Churchill fährt auf jeden Fall in seiner Rede vor dem Unterhaus fort und fragt, was mit den „restlichen Ostdeutschen“ geschehen sein mag:
Andere Millionen müssen hinter den britischen und amerikanischen Linien Zuflucht genommen haben, wodurch sie die Lebensmittelknappheit in unserer Zone erhöhten. Über eine riesige Anzahl fehlt jede Nachricht. Wohin haben sie sich gewandt? War war ihr Schicksal? … Spärliche und vorsichtige Berichte über die Dinge, die vor sich gingen und gehen, sind durchgesickert; aber es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Tragödie ungeheueren Ausmaßes sich hinter dem Eisernen Vorhang abspielt, der Europa gegenwärtig entzweischneidet…Churchill, 16. August 1945
Vom “Eisernen Vorhang” sprach Churchill das erste Mal in einem Telegramm, das er am 12. Mai 1945 an den neuen US-Präsidenten Truman sandte. Darin wirft er Russland u.a. eine “falsche Auslegung der Jalta-Beschlüsse”, die “Verkoppelung ihrer Macht mit den von ihnen kontrollierten oder besetzten Gebieten” und die “von ihnen inspirierte kommunistische Taktik in so vielen anderen Ländern” vor:
Ein eiserner Vorhang ist vor ihrer Front niedergegangen. Was dahinter vorgeht, wissen wir nicht. Es besteht wenig Zweifel, dass die gesamten Räume östlich der Linie Lübeck-Triest-Korfu in kurzer Zeit völlig in ihrer Hand sein werden.Aus: W. Churchill, The second world war, 6. Bd., S.498-499
Quellen
↑1 | Bildquelle: United Kingdom Government. Gefunden auf Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain – abgerufen am 25.08.2008 |
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↑2 | Quellen zur Entstehung der Oder-Neisse-Linie (in den diplomatischen Verhandlungen während des Zweiten Weltkrieges), Gesammelt und herausgegeben von Gotthold Rhode und Wolfgang Wagner, Brentano-Verlag, Stuttgart 1956, S. 221, 231-236 u. 273ff. |
Claus Pichlo
2. Januar 2009 @ 19:44
Weitere bemerkenswerte, aber leider wenig bekannte Zitate von Winston Churchill:
1.Daily Express vom 17.09.1936
“Er ist nicht nur dem Namen nach, sondern tatsächlich der nationale Führer.Er hat sie gegen potentielle Feinde, von denen sie umgeben waren, gesichert. Auch schützt er sie gegen die ständige Gefahr des Hungertodes, eine der schmerzhaften Erinnerungen aus den letzten Kriegs- und den ersten Friedensjahren(…) Die Tatsache, dass Hitler sein Land von der Furcht einer Wiederholung jener Zeit der Verzweiflung, der Armut und Demütigung erlöst hat, hat ihm im heutigen Deutschland unumstrittene Autorität verschafft. An seiner Popularität, vor allem unter der deutschen Jugend, besteht keinerlei Zweifel. Die Alten vertrauen ihm; die Jungen vergöttern ihn. Es ist nicht die Bewunderung, die einem Volksführer gezollt wird. Es ist die Verehrung eines Nationalhelden, der sein Land aus völliger Hoffnunglosigkeit und Erniedrigung gerettet hat (…) Er ist gegen Kritik immun wie ein König in einem monarchistischen Staat. Er ist noch mehr. Er ist der Georg Washington Deutschlands, der Mann der seinem Land die Unabhängigkeit von allen Bedrückern gewann”.
2.Ludwig Leher, Das Tribunal, 1965, S. 161:
“Winston Churchill droht: “Deutschland wird zu stark, wir müssen es vernichten!” So zu dem Militärfachmann und Industriellen General Robert L. Wood im November 1936.”
3.Churchill 1934 zu Heinrich Brüning:
“Wenn Deutschland wirtschaftlich zu stark wird, muß es zerschlagen werden. Deutschland muß wieder besiegt werden und diesmal entgültig.”
4.Aus das “Neue Reich” Nr. 15 vom 11.04.1959:
Zitat aus 1934: “Wir werden Hitler den Krieg aufzwingen, ob er will oder nicht!”
5.Joachim v. Ribbentrop, Zwischen London und Moskau, 1953, S. 97:
Im Jahr 1937 bei seinem Besuch in der deutschen Botschaft in London zum Botschafter v. Ribbentrop:”Wenn Deutschland zu stark wird, wird es wieder zerschlagen werden”.
6.Sven Hedin, Amerika im Kampf der Kontinente, 1943, S. 175 / Hans Grimm, Warum- Woher – aber Wohin?, 5. Auflage, s. 350:
“Dieser krieg ist ein englischer Krieg, und sein Ziel ist die Vernichtung Deutschlands!”
7.Winston Churchill, Memoaren:
“Das unverzeiliche Verbrechen Deutschlands vor dem Zweiten Weltkriege war der Versuch, seine Wirtschaftskraft aus dem Welthandelssystem herauszulösen und ein eigenes Austauschsystem zu schaffen, bei dem die Weltfinanz nicht mitverdienen konnte.”
8.Churchill am 07.02.1945 in Jalta:
“Wir haben sechs oder sieben Millionen Deutsche umgebracht. Möglicherweise werden wir eine weitere Million oder so töten, bevor der Krieg zu Ende ist.”
9.Churchill 1945:
“Wir hätten, wenn wir gewollt hätten, ohne einen Schuss zu tun, verhindern können, dass der krieg ausbrach, aber wir wollten nicht!”
10.Churchill in seiner Rede in Fulton/U.S.A. im März 1946:
“Der Krieg ging nicht allein um die Beseitigung des Faschismus in Deutschland, sondern um die Erringung der deutschen Absatzmärkte.”
11.Winston Churchill am 15. Dezember 1944 (Parlamentsdebatte des Unterhauses, Band 406, Spalte 1484 / Churchill – Reden, Zürich 1949, Band 5,S. 468):
“…Die nach unserem Ermessen befriedigendste und dauerhafteste Methode ist die Vertreibung. Sie wird die Vermischung von Bevölkerungen abschaffen, die zu endlosen Schwierigkeiten führt (…) Man wird reinen Tisch machen. Mich beunruhigt diese große Umsiedlung nicht, die unter modernen Verhältnissen besser als je zuvor durchgeführt werden können…”
ohne weiteren Kommentar, C.Pichlo
GehirnerweichungNein
24. März 2011 @ 21:53
Was für brisante/interessante Zitate!
Und ich habe sie nur gefunden, weil ich das einleitende Zitat des Artikels gegoogelt habe.
Ich werde mir das Buch “Das Tribunal” kaufen.
Danke!
Igor Wolf
4. Mai 2011 @ 06:34
Wie geisteskrank und kurzsichtig Churchill war, sieht man am derzeitigen Zustand seines “Imperiums”:
Entindustrialisert, vernarrt in eine senile Monarchie, wirtschaftlich schlechter als Griechenland, der Pudel Amerikas, auf dem Weg zur Totalislamisierung.
Dieser Kriegsverbrecher, der tatsächlich Millionen Deutsche auf dem Gewissen hat, wurde 1955 mit dem Karlspreis ausgezeichnet.
Besser können sich Opferlämmer nicht freiwillig zum Abschlachten melden.
Yahel
20. August 2017 @ 14:14
3.Churchill 1934 zu Heinrich Brüning:
„Wenn Deutschland wirtschaftlich zu stark wird, muß es zerschlagen werden. Deutschland muß wieder besiegt werden und diesmal endgültig.“
Ich nehme Bezug auf dieses Churchill-Zitat. Er soll es angeblich zu Heinrich Brüning gesagt haben, das ist so falsch.
Ich zitiere aus dem Buch, „Heinrich Büning, Briefe und Gespräche 1934 – 1945“ herausgegeben von Claire Nix, Seite 31, wörtlich:
„Als ich um 2 Uhr nachts ins Haus meines Gastgebers zurückkehrte, haftete eine Bemerkung besonders in meinem Gedächtnis. Nach einer Äußerung Professor Lindemanns hatte Churchill gesagt: „Deutschland muß wieder besiegt werden, und diesmal endgültig. Sonst werden Frankreich und England keinen Frieden haben.“
Zitatende
Diese Äußerung ist anläßlich eines Essens gefallen, das im September 1934 von Churchill in seinem Hause in Chartwell gegeben wurde, zu dem neben Prof. Lindemann, General Spears und Eden auch H. Brüning geladen war.
Den Grund, weshalb die Zerstörung Deutschlands dem Frieden Frankreichs und Englands dienen würde blieb er für den Rest seines Lebens schuldig.
Zu dem „Überfall auf den Sender Gleiwitz“ gibt es keinen historisch belegten Vorgang.