Das große Erwachen

Das diesjährige Landestreffen der Schlesier am kommenden Sonntag in Hannover fällt auf den 90. Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler „Friedensvertrags“. Dieser wurde am 28. Juni 1919 – genau 5 Jahre nach der Ermordung des österreichischen Thronerbens, Franz Ferdinand – im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, 20km westlich von Paris, unterzeichnet.

Nachdem das Waffenstillstandsabkommen im Wald von Compiègne am 11. November 1918 die Kampfhandlungen zwischen der Wehrmacht und den alliierten Streitkräften abschloss, beendete der Vertrag von Versailles den Kriegsstatus endgültig.

Ein „Rat der Vier“, bestehend aus dem US-Präsident Woodrow Wilson, dem französische Ministerpräsident Georges Clemenceau, dem britischen Premierminister David Lloyd George und dem italienischen Minister Vittorio Emanuele Orlando, legte die wesentlichen Eckpunkte des Vertrags fest. Die deutsche Delegation war bei der Ausarbeitung des Vertragswerks nicht beteiligt.

Das Ergebnis des Versailler Vertrags ist äußerst hart für Deutschland:

Deutschland soll etwa ein Achtel seines Territoriums verlieren (u.a. Elsass-Lothringen zugunsten Frankreichs, Eupen-Malmedy zugunsten Belgiens, alle Kolonien…), soll die Alleinschuld für den Krieg übernehmen und eine astronomische Summe an Reparationen bezahlen. Im Osten sollen deutsche Gebiete zugunsten des neuerrichteten Polens abgetrennt werden. Die „Siegermächte“ möchten Deutschland (d.h. vor allem Preußen) so schwächen, dass es nicht wieder kriegsfähig wird.

Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären, und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind, die die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen infolge des Krieges, der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde, erlitten haben.Artikel 231 des Versailler Vertrags

Die deutsche Delegation weigert sich zunächst zu unterschreiben und fordert eine Milderung der Bestimmungen. Die Deutschen erreichen jedoch lediglich, dass es in Oberschlesien zu einer Volksabstimmung kommen wird. Weitere Nachbesserungen werden von den Alliierten definitiv ausgeschlossen. Zum Erstaunen des US-Präsidenten Woodrow Wilson drängte der polnische Außenminister Roman Dmowski (1864-1939) auf eine baldige Durchführung des Plebiszits in Oberschlesien. Dmowski ist nämlich überzeugt, dass in den letzten Jahrzehnten unter der Oberschlesiern „ein großes Erwachen“ stattgefunden hat, dem auch noch durch Terror und Aufständen – die allgemeinen Wirrungen und inneren Kämpfe des besiegten Deutschlands ausnützend – etwas nachgeholfen werden kann.1)Der Versailler Friedensvertrag und der deutsche Osten

Der englische Premierminister Lloyd George sieht das allerdings ganz anders. Im Londonder Unterhaus formulierte er am 13. Mai 1921 scharf:

„Vom geschichtlichen Standpunkt“, sagte er, „hat Polen nicht das geringste Recht auf Oberschlesien. Der einzige Grund, aus dem Polen Oberschlesien für sich beanspruchen kann, ist der, dass dieses Land eine zahlreiche polnische Bevölkerung umschließt, deren verhältnismäßig neuzeitliche Einwanderung durch die Arbeitsgelegenheit in den Bergwerken veranlasst worden ist.“Lloyd George, zitiert durch René Martel (Frontières Orientales, 76f.)2)René Martel, Les Frontières orientales de l’Allemagne (Deutschlands blutende Grenzen, übersetzt von W. Scheuermann), Gerhard Stalling-Verlag, Oldenburg i.O., 1930, S. 67 – 82.

Eine eindeutige Mehrheit von 59,6% der Abstimmungsberechtigten stimmte schließlich für den Verbleib Oberschlesiens bei Deutschland. Trotz dieser Faktenlage wurde Oberschlesien auf Beschluss der Interalliierten Mächte geteilt…

Weiterführende Hinweise:

Volksabstimmung in Oberschlesien

Deutschlandtreffen der Schlesier 2009

Quellen

Quellen
1 Der Versailler Friedensvertrag und der deutsche Osten
2 René Martel, Les Frontières orientales de l’Allemagne (Deutschlands blutende Grenzen, übersetzt von W. Scheuermann), Gerhard Stalling-Verlag, Oldenburg i.O., 1930, S. 67 – 82.