Portugal und Schlesien

Schlesien und Portugal haben nicht viele Gemeinsamkeiten. Was sie verbindet, ist der Beginn ihrer Geschichte bzw. ihrer relativen Unabhängigkeit im Hochmittelalter. Portugal, das 1143 eine erste Unabhängigkeit gegenüber Spanien erreicht hatte, musste sich immer wieder gegen den Einfluss der Spanier wehren. Wäre im 20. Jh. eine politische Konstellation denkbar gewesen, die eine Vertreibung der Portugiesen und eine Annexion Portugals durch Spanien gerechtfertigt hätte?

Lissabon
Lissabon. Blick auf die Tejo-Mündung (Foto: Potsblits)

Schlesien erlangte 1202 eine erste Loslösung von Polen (Ende der polnischen Senioratsverfassung), zu dem es nie völlig gehört hatte. Über 700 Jahre lang trennte Schlesien und Polen eine der stabilsten Grenzen Europas.1)Potsblits, Gliederung der Geschichte Schlesiens Mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 wurde schließlich der größte Teil der Bevölkerung Schlesiens vertrieben und ihre Heimat de facto von Polen annektiert.

1335 hatte der polnische König Kasimir III. im Vertrag von Trentschin „für ewige Zeiten“ auf Schlesien verzichtet. 1385 sicherte Portugal in der berühmten „Schlacht von Aljubarrota“ seine Unabhängigkeit gegenüber dem spanischen Kastilien.

Im Zweiten Weltkrieg blieben Portugal und weitgehend auch Spanien neutral. Könnte man sich jedoch eine politische Konstellation in jener unheilvollen Zeit vorstellen, die eine Vertreibung der Portugiesen (z.B. nach Brasilien) und eine Annexion Portugals durch Spanien gerechtfertigt hätte? Portugal hatte 1945 etwa 8 Mio Einwohner. Das entspricht der Zahl der Deutschen, die nach 1945 das historische Ostdeutschland verlassen mussten – die vertriebenen „Auslandsdeutschen“ nicht mitgezählt.

Heute leben wir in einem geeinten Europa, das auf christlichen und humanistischen Grundwerten basiert. Theodor Heuss, von 1949 bis 1959 der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, sagte einmal:

Europa ist auf drei Hügeln gebaut. Golgota steht für Frieden, die Akropolis für Demokratie und das Kapitol in Rom für die Rechtsstaatlichkeit. (Quelle: Wikipedia)

Am 13. Dezember 2007 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union den „Lissabonner Vertrag“, der Europa ins 21. Jahrhundert führen soll. Dazu heißt es auf der Internetseite der EU:

Mit dem Vertrag von Lissabon wird die Demokratie in der EU und ihre Fähigkeit gestärkt, sich Tag für Tag für ihre Bürgerinnen und Bürger einzusetzen.2)EU – Vertrag von Lissabon, URL: href=“http://europa.eu/lisbon_treaty/index_de.htm – abgerufen am 16.09.2009

Am 15. Dezember 2006 hatte die Preußische Treuhand Polen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Vertreibung, Folter, Mord) und auf Rückgabe von privatem Eigentum vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Am 9. Oktober 2008 wurde diese Klage abgewiesen.3)Potsblits, Urteil EGMR

Eine fortbestehende Entrechtung, Enteignung und Vertreibung der Portugiesen wäre mit einer Europäischen Union des 21. Jahrhunderts nicht vereinbar. Warum aber gilt das nicht auch für Schlesier, Pommern und Ostpreußen?

Mit dem Kapitol-Hügel („Rechtsstaatlichkeit“) muss sich Theodor Heuss also wohl geirrt haben. Vielleicht hätte er lieber „Sanddüne“ sagen sollen…

Quellen

Quellen
1 Potsblits, Gliederung der Geschichte Schlesiens
2 EU – Vertrag von Lissabon, URL: href=“http://europa.eu/lisbon_treaty/index_de.htm – abgerufen am 16.09.2009
3 Potsblits, Urteil EGMR