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- 14. März 2012 um 21:42 Uhr#2871Richard
Der Tagesspiegel stellt eine neue Studie zur Vertreibung vor. Sie hat den Titel „Orderly and Humane“ und stammt von Ray M. Douglas. http://yalebooks.co.uk/display.asp?K=9780300166606
Wie auf der verlinkten Seite zu entnehmen ist, soll dieses Buch am 31. Juli 2012 veröffentlicht werden. Bei Amazon ist es allerdings bereits in deutscher Übersetzung mit dem Titel „‚Ordnungsgemäße Überführung‘: Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg“ erhältlich (??): http://www.amazon.de/Ordnungsgem%C3%A4%C3%9Fe-%C3%9Cberf%C3%BChrung-Vertreibung-Deutschen-Weltkrieg/dp/3406622941/ref=pd_sim_sbs_eb_1/279-5269400-9414815Immer wieder liest man, dass die Vertreibung der Deutschen auf der Potsdamer Konferenz angeordnet bzw. festgelegt worden sei. Das wird dadurch nicht wahrer, dass diese Stereotype von Sachunkundigen immer wieder neu nachgeplappert wird. Wer einen tieferen Blick in die Materie wirft, dem wird schnell klar, dass die Vertreibungen bereits vor der Potsdamer Konferenz voll im Gange waren, weil Stalin und seine Verbündeten so schnell wie möglich vor dieser großen alliierten Konferenz zu ihren Gunsten vollendete Tatsachen schaffen wollten.
Immer wieder wird von den gleichen Halbgebildeten auch behauptet, dass die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg „neue Staaten“ – oder so ähnlich – gebildet hätten. In diesem Sinne schreibt auch der Tagesspiegel:
Zwölf Millionen ethnische Deutsche mussten ihre Heimat verlassen und gelangten in die beiden Staaten, die die Siegermächte auf dem verkleinerten deutschen Staatsgebiet gebildet hatten. Die Alliierten der Kriegskoalition hatten diese Umsiedlungen denn auch beschlossen und auf der Potsdamer Konferenz vom August 1945 sanktioniert. (Tagesspiegel vom 13.03.2012, http://www.tagesspiegel.de/wissen/neue-studie-zur-vertreibung-chaotisch-und-unmenschlich/6318816.html)
Wer ehrlich sich mit der Geschichte auseinandersetzt, weiß, dass diese Sichtweise der deutschen Nachkriegsgeschichte alleine von Stalin & Co. geteilt wurde. Seine Epigonen leben offenbar heute noch weiter. Leicht lässt sich damit die Verantwortung für all die Verbrechen auf mehrere Schultern verteilen und die vollendete Tatsachen damit immer weiter zementieren.
1947 – so merkt der Tagesspiegel allerdings an – sollen die USA plötzlich dahinter gekommen sein, dass die Zwangsumgesiedelten aus Orten vertrieben wurden, „die seit Generationen ihre Heimat waren“… Offenbar macht R.M. Douglas auch deutlich, dass die Vertreibungen aus der Tschechoslowakei keinesfalls als Folge der Annexionspolitik des NS-Regimes zu erklären seien. Fällt so langsam Hirn vom Himmel? 🙄
Zu den Quellen, die Douglas für sein Werk verwendete, schreibt der Tagesspiegel andererseits, dass dieser sich ausdrücklich nicht auf persönliche Erlebnisberichte Vertriebener beruft, da sie „aus Gründen politischer Opportunität in der frühen Bundesrepublik oft verzerrt waren“. Das ist ein gewaltiger Vorwurf, der sich leicht auch auf die Erlebnisberichte anderer Opfer von Willkür und Gewalt während des Krieges anwenden ließe… Diese Aussage zeigt auf jeden Fall, dass Douglas entweder vom historischen Handwerk doch nicht so viel versteht, oder medienwirksam dem Buch einen weitestmöglichen „neutralen Anstrich“ verpassen wollte.Der Tagesspiegel erwähnt auch die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, die auf einer Tagung an der Freien Universität Berlin dargelegt hat, „dass es ein individuelles Recht auf Heimat nicht gibt, nicht in der Ordnung des Grundgesetzes und auch nicht im Völkerrecht“. Nun, zum einen wissen ausgewiesene Völkerrechtler das besser, zum anderen, sollte die liebe Herta recht haben, stellte sich nur die Frage, worüber sich die unter Hitler umgesiedelten Polen etc. eigentlich beschwert hatten…
Eine weitere juristische und historische Leuchte stellt offenbar „Jerzy Kranz von der Wahrschauer Akademie“ dar (er war auch mal polnischer Botschafter in Deutschland). Er ist wohl der Auffassung, dass die „Haager Landkriegsordung“ (1907) für die „wiedererlangten“ (Oder-Neiße-) Gebiete nicht maßgeblich gewesen sei. Diese Gebiete, die nach polnischer Propaganda irgendwann vor rund 700 Jahren mal polnisch gewesen sein sollen, seien nämlich „originär polnische Gebiete“, und wurden deshalb von Polen nicht besetzt… 😆
15. März 2012 um 05:51 Uhr#2940FrodoHallo Richard, der Tagesspiegel schreibt, dass Herta Däubler-Gmelin ein „Rückkehrrecht“ einräumt. Mit anderen Worten: In Verbindung mit dem Recht auf Eigentum haben also die deutschen Heimatvertriebenen bzw. ihre Nachkommen das Recht in ihre Häuser, auf ihre Grundstücke zurückzukehren, bzw. Entschädigung zu verlangen, insofern das heute nicht mehr in adäquater Weise möglich sein sollte. Verbrechen gegen die Menschlichkeit verjähren ja nicht, auch nicht wenn die Opfergeneration bereits verstorben sein sollte. Für einen Menschen mit gesundem Verstand dürften diese Gedanken eine Selbstverständlichkeit sein, Doch ob dies der ehemaligen Bundesjustizministerin bewusst war, als sie vom „Rückkehrrecht“ sprach?
29. April 2012 um 07:06 Uhr#2947Human RightsHallo zusammen,
ich habe mir die von Richard genannte Studie von Ray M. Douglas besorgt.
Hier ein paar „Kostproben“. In der Einleitung auf Seite 14 schreibt Douglas, dass zum einen in Deutschland die Geschichte der Vertreibungen zu wenig bekannt sei, dass sie aber auch zum anderen für den Rest der Welt bis heute das am besten gehütete Geheimnis des Zweiten Weltkriegs sei. Er sage das „ohne Übertreibung“, denn an westeuropäischen und nordamerikanischen Universitäten würde die überwiegende Mehrheit der Studenten selbst in Fächern wie Neuere Geschichte Europas, Internationale Beziehungen und Politologie ihr Studium abschließen, „ohne je etwas von einer der schlimmsten menschengemachten Katastrophe gehört zu haben“. Sie würde den blutigen Zerfall Jugoslawiens in den neunziger Jahren weit übertreffen…Auf Seite 15 meint Douglas dann, dass auf lange Sicht die Weigerung nicht aufrechtzuerhalten sei, sich mit den Vertreibungen und ihrer Bedeutung nicht nur für die europäische Geschichte, sondern auch für unsere heutige Welt auseinanderzusetzen…
Andererseits versucht auch Douglas eine „politisch korrekte“ Position einzunehmen, indem er auf Seite 17 betont:
Was immer nach dem Krieg geschah, lässt sich nicht mit den Gräueltaten gleichsetzen, die vorher von Deutschen begangen wurden, und Behauptungen des Gegenteils – darunter denen von manchen Vertriebenen – sind moralisch wie historisch unangemessen. Nichts, was ich in diesem Buch geschrieben habe, sollte etwas anderes suggerieren.
Mit diesem politisch korrekten, vorauseilenden Gehorsam gegenüber Politik und Geschichtswissenschaft, tappt nun also auch der an der „Colgate University“ im Bundesstaat New York dozierende Historiker Ray M. Douglas in die allseits beliebte Kollektivierungsfalle. D.h. auch er vergleicht die auf einer nationalen Ebene kollektivierten, individuellen (Kriegs-) Verbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit von deutscher Seite und gegen Deutsche und versucht sie auf diese Weise zu rationalisieren. Eine solche Rationalisierung muss als pervers verurteilt werden, angesichts des aufgenötigten Vergleichs, was denn nun schlimmer gewesen sein mag: die grausame Vergasung einer jüdischen Frau oder die x-fache brutale Vergewaltigung einer deutschen Frau mit anschließender Kreuzigung, Folterung bis zum Tode oder „einfach nur“ abschließendem Genickschuss…
17. Mai 2012 um 07:21 Uhr#2948Human RightsIn der Einleitung zu seinem Buch „Ordnungsgemäße Überführung“ greift R.M. Douglas auch die Frage nach seinen Quellen auf. Dabei geht er auf Distanz gegenüber „direkten Aussagen von Vertriebenen“, was er mit der emotionalen Umstrittenheit des Themas begründet. Douglas betont, dass es in den fünfziger und sechziger Jahren eine weitverbreitete Strategie gewesen sei, die Glaubwürdigkeit der Erlebnisberichte der Heimatvertriebenen anzugreifen, um ihren Wahrheitsgehalt zu leugnen. Douglas habe deshalb vor allem unabhängige Quellen herangezogen, die aber genau diese Erlebnisberichte bestätigen würden.
Im Laufe meiner Forschung sah ich, dass ich dadurch nur wenig verlor, denn das in der Dokumentation der Vertreibung gezeichnete Bild wurde durch die Berichte von humanitären Organisationen wie dem Roten Kreuz, Nichtregierungsorganisationen, westlichen Diplomaten und Funktionsträgern, Journalisten und vor allem durch die Archivbestände der Vertreibungsstaaten selbst bestätigt.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 17f.Das erste Kapitel des Buches, welches sich über ca. 40 Seiten hinweg erstreckt, ist dem tschechoslowakischen Präsidenten Edward Benes gewidmet. Es trägt den Titel „Der Planer“. Interessant für mich ist, dass Benes nach der „Zerschlagung der CSSR“ durch Hitler ins Exil ging und einen Lehrstuhl an der Universität Chicago annahm (S.21f).
Obwohl die Weltmeinung wegen der Art, wie Benes aus dem Amt getrieben worden war, mit ihm sypathisierte, herrschte allgemeiner Konsens, dass der Gebietstransfer an Deutschland „notwendig und grundsätzlich gerecht“ gewesen sei, wie die Londoner Times es ausdrückte.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 21Douglas unterstreicht, dass die (deutschen) Bewohner des Sudetenlandes nie gefragt worden seien, ob sie Teil der Tschechoslowakei werden wollten. Außerdem hebt er hervor, dass die Sudetendeutschen zur „zweitstärksten Bevölkerungsgruppe…, weit vor den Slowaken“ wurden. Douglas erwähnt auch, dass tschechoslowakische Truppen durch gewaltsame Unterdrückung in Böhmen und Mähren „Fakten schufen“. (S.22)
Bedeutsam ist auch die administrativen Bemühungen der CSSR-Regierung „den Anteil der offiziell registrierten Deutschen in jedem Bezirk unter die entscheidende 20 Prozent-Marke zur drücken, die nach dem Gesetz für die formale Anerkennung als nationale Minderheit notwendig war.“ Diese „administrativen Wege“ bestanden aus Verhören, Bußgeldern, Inhaftierungen – wegen der „illegalen Angabe einer ‚falschen‘ Nationalität“. (S.24)
Bei der Volkszählung 1930 habe es noch größere ethnische Manipulationen gegeben.Eine Untersuchung des Innenministeriums fand heraus, dass Volkszählungen in Brno (Brünn) 1145 Unterschriften gefälscht und weitere 2377 Personen falsch klassifiziert hatten, um den deutschen Einwohneranteil der Stadt knapp unter die 20 Prozent-Grenze zu drücken.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 24.25. Mai 2012 um 19:42 Uhr#2949RichardHi Human Rights,
ich habe mir das Buch jetzt auch gekauft. Eingestiegen bin ich in das Kapitel „Die ‚wilden Vertreibungen'“ ab Seite 123. Der Autor widerspricht dort der These, dass „spontane Racheakte“ gegenüber den Deutschen bzw. „Volksdeutschen“ zu „wilden Vertreibungen“ geführt haben sollen:Man muss betonen, dass daran so gut wie nichts wahr ist. Bis auf sehr wenige Fälle gab es im Europa des Jahres 1945 keine Deportation als Folge spontaner Gewalt. Vielmehr wurden diese ‚wilden Vertreibungen‘ fast immer von Soldaten, Polizei und Miliz durchgeführt, die auf Befehl handelten und häufig Beschlüsse der höchsten politischen Ebene ausführten.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 124f.Douglas hebt hervor, dass es im Interesse der Vertreibungsstaaten liegt, den Mythos „wilde Vertreibungen“ aufrechtzuerhalten, weil sie damit erstens die Verantwortung für die Gewalttaten abstreiten können. Des weiteren liefere dieser Mythos „fiktive, aber plausible Beweise“ für die Rechtfertigung, die „deutsche Minderheit“ hätte entfernt werden müssen, da sonst weitere Massaker zu erwarten gewesen wären… Das dritte Argument schließt direkt an das zweite an: „Organisierten Umsiedlungen“ erscheinen nämlich nunmehr als „einzig humane Alternative“ zu solchen „wilden Vertreibungen“…
Auf Seite 151 schreibt Douglas dann noch einmal explizit und ungeschminkt:
Weder die polnische noch die tschechoslowakische Regierung erwarteten, dass die Phase der ‚wilden‘ Vertreibungen ewig dauern würde. Ihr Ziel war es gewesen, die verbliebene deutsche Bevölkerung durch die strategische Anwendung von Terror zur Flucht aus den Gebieten zu bewegen, die sie räumen wollten, noch vor der Potsdamer Konferenz und ganz sicher vor einer abschließenden Friedenskonferenz. ‚Organisierte Vertreibungen‘ würden erst ins Spiel kommen, wenn dieser Versuch, vollendete Tatsachen zu schaffen, sich als ungenügend erwies.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 151.26. Mai 2012 um 08:18 Uhr#2950Human RightsHallo Richard,
das Buch „Ordnungsgemäße Überführung. Die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg“ habe ich zwischenzeitlich zweimal komplett durchgelesen. Mir ist deutlich geworden: Die Verbrecher heute sind die, die das Leid der deutschen Heimatvertriebenen und den eklatanten Bruch ihrer Menschenrechte relativieren, entschuldigen bzw. mit Unrecht von deutscher Seite aufrechnen möchten!In dem Kapitel, in dem Du gerade bist, schildert R.M.Douglas auf Seite 152f die schrecklichen Szenen, die sich auf deutschen und österreichischen Bahnhöfen abspielten. Westliche Journalisten – darunter z.B. der Deutschlandkorrespondent des Londoner Daily Herald, Charles Bray – hegten zwar antideutsche Gefühle, seien jedoch über diese Szenen entsetzt gewesen:
Ein Reporter der Times fand im Monat darauf 60 Frauen und Kinder in einem Berliner Krankenhaus, die aus einem Kranken- und Waisenhaus in Danzig ‚herausgeworfen‘ worden waren. Man hatte sie in Lastwagen ohne Nahrung und Wasser transportiert, und bei der Ankunft in Berlin waren 20 tot.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 152.Der Major eines Fallschirmjägerregiments war dermaßen vom Anblick „ganzer Völkerschaften, die zu Tausenden an den Straßenrändern an Hunger, Dysenterie und Erschöpfung sterben“ erbost, dass er über Charles Bray einen Augenzeugenbericht an das britische Außenministerium sandte:
Selbst ein kurzer Besuch in den Berliner Krankenhäusern, wohin einige dieser Menschen sich geschleppt haben, ist eine Erfahrung, die den Anblick in den Konzentrationslagern normal erscheinen lässt.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 153.Der britische Militärarzt Adrian Kanaar habe nach einem Dienstaufenthalt als Arzt im Konzentrationslager Bergen-Belsen, schokiert über das Elend der deutschen Vertriebenen, sich bereit erklärt, vor ein Kriegsgericht zu treten, um diese Tatsachen der Weltöffentlichkeit publik zu machen.
Er schrieb, er habe ’nicht sechs Jahre in der Armee verbracht, um mit anzusehen, wie eine Tyrannei etabliert wird, die genauso schlimm ist wie die Nazis‘.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 153.26. Mai 2012 um 08:40 Uhr#2951Human RightsAuf der Seite 156 berichtet Douglas über die tödlichen Folgen von gescheiterten „wilden Vertreibungen“. D.h. in solchen Fällen kannten polnische und tschechische Armee- und Milizeinheiten manchmal kein Pardon. Hier ein Bericht über Sudetendeutsche aus dem ostböhmischen Wekelsdorf bzw. Weckelsdorf:
Am 28. Juni 1945 wurde eine Gruppe von 21 Deutschen aus Teplice nad Metují (Wekelsdorf) an die nahe polnische Grenze getrieben. Da die Polen ihnen den Grenzübertritt verwehrten, wurden die Vertriebenen, zumeist ältere Frauen und Kinder, vom Führer der Eskorte, Hauptmann V. Svoboda, in den Wald bei Buky am Rand des Riesengebirges geführt und ermordet. Die Leichen wurden 1947 exhumiert, und ein tschechischer Augenzeuge beschrieb die Szene: ‚Am schrecklichsten war der Anblick eines Kindchens in einem Wickelkissen, welches ein bis zur Unkenntlichkeit des Gesichtchens zerschmettertes Köpfchen hatte …, offenkundig mit einem Gewehrkolben gemacht.‘
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 156.27. Mai 2012 um 09:07 Uhr#2952Richard@Human Rights wrote:
Die Verbrecher heute sind die, die das Leid der deutschen Heimatvertriebenen und den eklatanten Bruch ihrer Menschenrechte relativieren, entschuldigen bzw. mit Unrecht von deutscher Seite aufrechnen möchten!
„Verbrecher“ finde ich evtl. etwas zu hoch gegriffen. Sicherlich muss man den jeweiligen Einzelfall betrachten. Einige Menschen, sowohl in Deutschland als auch im Ausland, wissen es einfach nicht besser, weil man sie lediglich mit einem einseitigen bzw. tendenziösen Geschichtsbild konfrontiert hat und ihnen die ganze Wahrheit vorenthält.
Andere wiederum haben lediglich ein paar Schrauben locker, wenn sie stets von Neuem Leid kollektivieren und instrumentalisieren, um es gegen anderes (kollektivierte) Leid aufzurechnen.
Sicherlich: Es gibt den Tatbestand der „Strafvereitelung“, der als „Anschlussdelikt“ strafbar ist:Strafbar ist danach die absichtliche oder wissentliche Vereitelung der Bestrafung des Täters oder eines Teilnehmers einer rechtswidrigen Tat.
Strafvereitelung, WikipediaWer also bewusst und gezielt verhindern möchte bzw. verhindert hat, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegenüber Deutschen mit Ende des Zweiten Weltkriegs strafrechtlich verfolgt wurden, hat sich sicherlich strafbar gemacht und kann u.U. auch als Verbrecher bezeichnet werden.
27. Mai 2012 um 09:39 Uhr#2953RichardIch möchte aber noch eine Bemerkung zur Wissenschaftlichkeit des Autors Ray Douglas von der Colgate University in New York machen:
Mir fällt auf, dass er meist den polonisierten Namen der (ost-) deutschen Städte und Ortschaften den Vorrang gibt. Douglas erwähnt zwar auch die ursprünglichen deutschen Namen, im Darstellungsfluss spricht er dann aber stets z.B. von Wrocław statt Breslau… Wenn Douglas (als Ire bzw. US-Amerikaner) ein Buch über das heutige Breslau bzw. Schlesien geschrieben hätte, könnte ich das ja noch verstehen. Er schreibt aber über Breslau, Schlesien etc. der Jahre 1945 und davor! Es ist anachronistisch hier nicht die deutschen Namen dieser Städte zu gebrauchen.
Auch seine Argumentation finde ich manchmal nicht besonders logisch und stringent. Manchmal relativiert Ray Douglas seine eigene Aussagen ein paar Abschnitte später, d.h. er widerspricht sich selbst. Auf Seite 63 (Kapitel: Die Volksdeutschen während des Krieges) widmet der Autor sich z.B. dem Angriffs-Vorwand Hitlers, die Volksdeutschen in Polen schützen zu müssen… D.h. zunächst spricht Douglas von „angeblichen Leiden der deutschen Minderheit“, gesteht dann aber ein paar Zeilen später ein „nicht jede dieser Geschichten“ sei frei erfunden gewesen und legt dann wiederum ein paar Zeilen später richtig los:
Etwa 8000 Deutsche wurden 1919 mehrere Monate lang in ehemaligen Kriegsgefangenenlagern inhaftiert, die meisten volksdeutschen Beamten verloren ihre Stellen, Boykotte deutscher Geschäfte waren nicht ungewöhnlich und deutsche Schulen, Vereine und Zeitungen wurden häufig von den Behörden geschlossen, die oft unter dem Druck nationalistischer Organisationen standen, die Polonisierung des Landes durch Repressionen zu vollenden. […] Im Feburar 1939 wurden deutschsprachige Zeitungen im Bezirk Poznán-Pomorze verboten, ebenso deutsche Kulturfeste, und bis zu 70 000 Volksdeutsche, deren Häuser und Höfe von der Mehrheitsbevölkerung angegriffen wurden, mussten über die Grenze fliehen.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 64.Ganz klar, Hitler mag „größere Ziele“ gehabt haben, doch Kriege wurden auch schon wegen geringeren zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen begonnen (die im Vergleich mit den Repressionen gegenüber den Deutschen in Polen geradezu als Lappalien erscheinen).
Mit „schlechter Übersetzung“ sind solche wissenschaftlichen Patzer meines Erachtens nicht zu erklären. Entweder unterliegt auch Ray Douglas einer gewissen antideutschen „Systemblindheit“, so dass er gar nicht merkt, dass er sich in Widersprüche verstrickt, oder das vorliegende Buch hat gar keine geschichtswissenschaftliche Zielsetzung, sondern mehr eine politische… Das möchte ich noch näher untersuchen.
Human Rights, was meinst Du dazu?
29. Mai 2012 um 05:50 Uhr#2954RichardDas „Kapitel 1 – Der Planer“ (S. 20 – 59) von „R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, Verlag C.H. Beck, München, 2012“ straft alle Lügen, die behaupten, Hitler sei letztlich verantwortlich für das Verbrechen der Vertreibung der (Sudeten-) Deutschen mit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Bereits 1919 seien nämlich alliierte Diplomaten besorgt gewesen, die Integration des Sudetenlands in die neu geschaffene Tschechoslowakei (mit welcher die Deutschen gegen ihren Willen zur zweitstärksten Bevölkerungsgruppe des neuen Staates wurden) könne deren Assimilierungskraft übersteigen (vgl. 21f).Doch Beneš und Masaryk setzten sich über solche Sorgen hinweg. Während tschechoslowakische Truppen „Fakten schufen“, indem sie die Ende 1918 in allen vier deutschen Provinzen Böhmens und Mährens geschaffenen provisorischen Regierungen gewaltsam unterdrückten, überzeugten die beiden Politiker die Alliierten, nur eine starke Tschechoslowakei könne eine neue deutsche Hegemonie in Mitteleuropa verhindern.
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 22.Darum ging es: Die Vorherrschaft Deutschlands in Mitteleuropa sollte gewaltsam verhindert werden. Dieses bereits einige Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg beschlossene Verbrechen gegen das Völkerrecht und die Selbstbestimmung der Völker liegt der Vertreibung der Sudetendeutschen zugrunde. Hitler, der sich diesem Bestreben widersetzte, kann definitiv nicht für eine bereits vor ihm beschlossene Sache verantwortlich gemacht werden; aus bekannten Gründen wurde er allerdings von den Alliierten, Beneš & Co. später als Vorwand missbraucht.
Diesen willkommenen (!) Vorwand, den Hitler durch sein brutales Vorgehen vor den Augen der ganzen Welt bot (z.B. „Lidice“), wollten sich die „Planer eines neuen Mitteleuropas“ nicht noch von einer deutschen Opposition gegen Hitler madig machen lassen. Einen eindrücklichen Beleg für diese menschenverachtende Haltung der Alliierten liefert Ray Douglas mit dem sozialdemokratischen Politiker Wenzel Jaksch:
Douglas bezeichnet den nach England emigrierten sudetendeutschen Politiker Wenzel Jaksch als „ehrenwerte und in mancher Hinsicht tragische Persönlichkeit“, der sich zunächst mit zahlreiche Radioansprachen über den BBC an seine sudetendeutschen Landsleute wendete (vgl. 42f). Diese Ansprachen hätten Beneš & Co. regelmäßig zur Weißglut getrieben, da sie ihre Nachkriegspläne gefährdet sahen…Noch peinlicher für den tschechoslowakischen Präsidenten war, dass der Labour-Abgeordnete und Staatssekretär in Churchills Koalitionsregierung Philip Noel-Baker schon in einer anderen BBC-Sendung erzählt hatte, wie er und Jaksch im Sommer 1938 in der Tschechoslowakei die Sudetendeutschen zum Widerstand gegen Henlein und Hitler aufgerufen hatte…
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 43f.Auf Seite 45 schreibt Ray Douglas schließlich, dass Jakschs Reden im Sommer 1942 eingestellt wurden. Er und andere NS-Gegner seien der alliierten Staatsräson geopfert worden… Anfang 1945 formulierte Wenzel Jaksch dann erneut eine Rundfunkansprache an seine sudetendeutschen Landsleute. Auch diese wurde abgelehnt:
Das [britische] Außenministerium befürchtete von einer solchen Rede genau das Gegenteil wie Jaksch: nicht dass sein Appell scheiterte, sondern dass er Erfolg haben könnte. Ein britischer Beamte erinnerte seine Kollegen daran, dass die tschoslowakische Exilregierung fest entschlossen war, die meisten Sudetendeutschen loszuwerden. Wenn sie sich auf Grund von Aufrufen aus England gegen die Nationalsozialisten erhoben, übernehme London dadurch ‚Verantwortung für die Sudetendeutschen, die diesem Appell gefolgt sind. Diese Verantwortung können wir nicht akzeptieren.‘
R.M. Douglas, Ordnungsgemäße Überführung, 56.29. Mai 2012 um 15:54 Uhr#2955Frodo@Richard wrote:
Diesen willkommenen (!) Vorwand, den Hitler durch sein brutales Vorgehen vor den Augen der ganzen Welt bot (z.B. „Lidice“), wollten sich die „Planer eines neuen Mitteleuropas“ nicht noch von einer deutschen Opposition gegen Hitler madig machen lassen.
Hallo Richard, da ich mir das Buch (noch) nicht gekauft habe: Wie kommst Du darauf, dass Hitlers brutales Vorgehen „willkommen“ gewesen sein soll? Steht da Näheres im Buch dazu?
4. Juni 2012 um 17:50 Uhr#2956Richard@Frodo wrote:
Wie kommst Du darauf, dass Hitlers brutales Vorgehen „willkommen“ gewesen sein soll? Steht da Näheres im Buch dazu?
Ray Douglas schreibt auf Seite 39, dass Beneš die heftigen sudetendeutschen Reaktionen nach der Ermordung Heydrichs vorausgesehen hätte; ihm ging es offenbar um eine Spaltung, die nach Kriegsende „jedes künftige Zusammenleben von Tschechoslowaken und Deutschen unmöglich machen“ würde…
Andererseits räumt ein, dass es eine zynische Interpretation sei, wenn man davon ausginge, „das Attentat sei durchgeführt worden, um die Volksgruppen in der Tschechoslowakei aufeinanderzuhetzen“. - AutorBeiträge
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