Forum › Vorgeschichte zur Potsdamer Konferenz › Zwischenkriegszeit (1919-1939) › Chauvinismus und Verstrickung
Schlagwörter: Entgermanisierung, Vertreibung
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- 5. Juni 2010 um 15:50 Uhr#3564
Frodo
Folgende Diskussion bezieht sich auf die erweiterte Fassung des Vortrags „Der polnische Klerus und die Vertreibung nach Ende des II. Weltkriegs“, den der Professor em. für Politikwissenschaften der Technischen Universität Darmstadt und Honorarprofessor für osteuropäische Geschichte der Universität Mainz am 5. November 1998 in München gehalten hatte:
Georg W. Strobel, Chauvinismus und Verstrickung. Die Haltung der katholischen Kirche Polens gegenüber Deutschen und Deutschland, insbesondere nach 1945, In: Der Besondere Vortrag. Schriftenreihe des Hauses des Deutschen Ostens. Heft 2, Hrsg. von Horst Kühnel.
Dr. Horst Kühnel war bis 2001 Direktor des Hauses des Deutschen Ostens in München.
Wir diskutieren insbesondere das Kapitel „2. Verhalten gegenüber Deutschen und Deutschland“ und zwar „a) Vor der Wiedergewinnung der Unabhängigkeit 1918“ (Seite 10ff.) und „b) Im wiedererstandenen Polen seit 1918“ (Seiten 16ff.)
Fangen wir mit „b) Im wiedererstandenen Polen seit 1918“ (Seite 16) an:
In ungebrochener Tradition halfen Geistliche dem 1918 wiedererstandenen Polen die „Grenzen mit dem Säbel herauszuhauen“ („Wyrąbać szablą granice“), wie es damals chevaleresk hieß. Sie waren an der Organisation der Aufstände und an den Aufstandskämpfen in der Provinz Posen und in Oberschlesien in den Jahren 1918 bis 1921 beteiligt, um tradierte Territorialvisionen zu verwirklichen. In den zu Polen zurückgekehrten preußischen, einst polnischen Gebieten nahmen sie gegenüber den hier beheimateten Deutschen eine gleichermaßen unversöhnliche Haltung ein wie schon während des von blutigen Exzessen gegenüber Deutschen und Juden begleiteten Aufstands im Großherzogtum Posen Anfang 1948. Auch akzeptierten Geistliche die Vertreibung von rund 1,2 Millionen Deutschen in den ersten Jahren nach 1918 und deren darüber hinaus fortdauernde Verdrängung. Alles das sowie die überdurchschnittliche Heranziehung deutschen Grundbesitzes zur Bodenreform von 1925 bezeichnete Jahre später das polnische Außenministerium als eine „Entgermanisierung“. Seitens der Kirche wurden diese Maßnahmen wiederum als gottgefällige Erfüllung ihres Missionsauftrags gegenüber der sich unter Preußen breitgemachten „Häresie“ gesehen, so dass dieses Gebiet nicht nur Polen, sondern auch der römischen Kirche zurückgewonnen wurde. Obwohl Polnisch während der letzten Jahrzehnte im polnischen Landesteil Preußens staatlicherseits nicht mehr unterrichtet wurde, galt vom ersten Tag seiner Übernahme durch Polen im öffentlichen Leben und in den Schulen uneingeschränkt allein das Polnische, – anders als bei den gleichen, von Polen verurteilten Sprachgesetzten Preußens, was bei einem Vergleich der identischen Maßnahmen ethisch bedeutsam ist.
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