Forum › Aktuelles › Geschichte in den Medien › Als die Deutschen weg waren
- Dieses Thema hat 2 Antworten sowie 2 Teilnehmer und wurde zuletzt vor von Richard aktualisiert.
-
AutorBeiträge
-
12. September 2009 um 05:22 Uhr #2841Frodo
Der Westdeutsche Rundfunk strahlt an drei Dienstagen im Oktober hintereinander die Sendereihe “Als die Deutschen weg waren” aus. Jeweils um Mitternacht.
Teil 1 am 06.10.09 befasst sich mit Tollmingkehmen in Ostpreußen,
Teil 2 am 13.10.09 befasst sich mit Groß Döbern in Schlesien, und
Teil 3 am 20.10.09 schließlich mit Gablonz im Sudetenland.Die offizielle Filmbeschreibung des WDR zum 2. Teil (Schlesien) lautet:
“Als die Deutschen weg waren (Teil 2): Groß Döbern, Schlesien
Ein Film von Hans-Dieter Rutsch
1945: Drei Millionen Deutsche werden aus Schlesien vertrieben. Polen, die von der sowjetischen Staatsmacht aus der Ukraine gejagt werden, sollen ihren Platz einnehmen. Die größte Völkerwanderung in der schlesischen Geschichte beginnt. Am Beispiel der heute über zehntausend Einwohner zählenden oberschlesischen Gemeinde Dobrzen Wielki, dem einstigen Groß Döbern, erzählt der zweite Teil der Dokumentationsreihe von den Folgen dieser Polonisierung.
In Groß Döbern werden die Deutschen nach 1945 “sortiert”: Wer Schlesisch spricht – ein Gemisch aus Deutsch, Polnisch und Tschechisch – soll bleiben und einen polnischen Namen annehmen. Der neuen polnischen Staatsmacht dienen diese Deutschen als Beleg dafür, dass Schlesien eigentlich urpolnisches Gebiet sei. Doch diese Deutschen verstehen 1945 kein Polnisch; und sowohl die deutsche als auch die schlesische Sprache sind in der Schule ab sofort streng verboten. Wer kann, entflieht diesem Chaos in Richtung Westen und lässt Haus und Hof zurück.
Die “neuen” Schlesier kommen in Güterzügen aus Ostpolen. Ihre Heimat lässt sich die Sowjetunion mit dem Potsdamer Abkommen als Kriegsentschädigung zusprechen. Auch diese Polen sind Vertriebene, müssen ihr Hab und Gut und ihre Häuser in den jetzt sowjetischen und ehemals polnischen Gebieten zurück lassen. Von Güterzügen aus werden sie auf die von Deutschen verlassenen Häuser in Schlesien verteilt.
Familie Johann Kutzera in Döbern schenkt – wie alle deutschen Schlesier – den politischen Erklärungen aus Deutschland zunächst Glauben, Schlesien würde nicht dauerhaft polnisch bleiben. Doch Ende der fünfziger Jahre ahnt auch sie: Schlesien wird polnisch bleiben. Mit dieser Perspektive beginnt der tragische Zerfall der Familie – teils durch Ausreise in die DDR und in die Bundesrepublik, teils durch dramatische Flucht. Die in Polen zurück bleiben, sind zunehmend entwürdigenden Schikanen durch den Nachbarn oder polnische Behörden ausgesetzt. In den sechziger Jahren beruhigt sich die Lage allmählich. Der deutsche und der polnische Teil Familien wächst durch Eheschließungen der Kinder zusammen. Aber noch immer fliehen die ehemaligen Deutschen, wenn sich eine Möglichkeit bietet. Nur jeder Dritte Deutsche bleibt in Döbern und versucht, Reste der schlesischen Identität zu bewahren. Dabei suchen und finden Polen und Deutsche nach Wegen zu dauerhafter Aussöhnung.”
(Vgl. http://www.wdr.de/programmvorschau/object4Broadcast.jsp?broadcastId=3194293)
14. Oktober 2009 um 15:10 Uhr #2887RichardVielen Dank, Frodo, für Deinen Beitrag!
In der von Dir verlinkten Filmbeschreibung heißt es u.a.:1.) “Wer Schlesisch spricht – ein Gemisch aus Deutsch, Polnisch und Tschechisch – soll bleiben und einen polnischen Namen annehmen.”
Das ist nur teilweise richtig!
Schlesisch war, wie in Deutschland üblich, ein Gemisch aus deutschen (!) Mundarten. Alleine in Oberschlesien wurde neben dem deutschen Dialekt noch ein “Wasserpolnisch” gesprochen, auf das Ihre o.g. Charakterisierung zutreffen mag.
(Vgl. http://potsblits.de/unesco-tag-der-muttersprache)2.) “Auch diese Polen sind Vertriebene, müssen ihr Hab und Gut und ihre Häuser in den jetzt sowjetischen und ehemals polnischen Gebieten zurück lassen.”
Das stimmt so nicht! Die meisten “Ost”-Polen durften sehr wohl ihr Hab und Gut mitnehmen:
“Für die Abwicklung der “Evakurierung” (seit 1945: “Repatriierung”) wurde eine sowjetisch-polnische Kommission eingesetzt. In den Verträgen wurden die Evakuierungen als “freiwillig” bezeichnet. Tatsächlich kam es aber auch zu verschiedenen Zwangsmaßnahmen. Auf jeden Fall sollten Bauern neben ihrem Vieh pro Familie 2 Tonnen Gepäck mitnehmen dürfen, Städter nur eine Tonne Gepäck. Eigentum, das zurückblieb, sollte in Verzeichnissen registriert werden. Die Betroffenen sollten damit Anspruch auf Entschädigung erhalten.”
(Vgl. https://potsdamer-konferenz.de/vertreibung/ostpolen-ab-1939.php)Unter der Überschrift “Zwischen alter und neuer Heimat: Die Lemberger in Breslau” heißt es auf folgender Seite:
“Auf dem Ring steht ein Denkmal des Dichters Alexander Fredro, das einst in Lemberg stand und nach dem Krieg nach Breslau transportiert wurde. Ebenso aus Lemberg stammen das Panorama von Racławice und die Sammlungen des Ossolineum, einst die größte Bibliothek Polens, die heute in Breslau zu wichtigen Kulturgütern zählen.”
(Vgl. http://oral-history.euv-ffo.de/breslau/html/Zwischen%20alter%20und%20neuer%20Heimat%20Die%20Lemberger%20in%20Breslau.html)Wenn die Polen tatsächlich “von der sowjetischen Staatsmacht aus der Ukraine gejagt” wurden und ihr Hab und Gut hatten zurücklassen müssen – wie die Filmbeschreibung suggeriert – wie kommt das alles dann nach Breslau? Im Handgepäck?
9. Februar 2010 um 20:00 Uhr #2889RichardDie deutsch-polnische Geschichtsschreibung hat sich ein einseitiges Geschichtsbild als Ziel gesetzt. Gleichzeitig argumentieren die betr. Historiker gegen Einseitigkeit in der Geschichtsschreibung und verstricken sich so in Widersprüche.
Das sind die Maxime dieser Geschichtsschreibung:
1. Die Annexion Polens war schlecht, die Umsiedlung der “Volksdeutschen” (aus dem Baltikum, Ostgalizien, Wolhynien und Bessarabien) in das eroberte Gebiet war schlecht, die Gewalt gegen Polen war schlecht – und zudem sind die Deutschen daran schuld!
2. Die Annexion des historischen Ostdeutschlands ist entschuldbar, die Umsiedlung der (Ost-) Polen in dieses Gebiet ist entschuldbar, die Gewalt gegen Deutsche ist entschuldbar – und zudem sind die Deutschen daran selbst schuld!
Viele deutschen Medien beteiligen sich geflissentlich an der Propagierung dieses Geschichtsbildes.
Für sie sind die Menschenrechte teilbar und können durch bestimmte Umstände außer Kraft gesetzt werden.
-
AutorBeiträge
- Du musst angemeldet sein, um auf dieses Thema antworten zu können.