Forum › Potsdamer Konferenz › Geschichte › "Westverschiebung" Polens? › Antwort auf: "Westverschiebung" Polens?
Churchill schreibt in seinen Memoiren:
Dann regte ich eine Aussprache über Polen an. Stalin willigte ein und forderte mich auf zu beginnen. Ich sagte, wir seien Polens halber in den Krieg getreten. Daher bedeute uns Polen sehr viel. Nichts sei aber wichtiger als eine gesicherte russische Westgrenze. Doch sei ich bezüglich der Grenzen keine Verpflichtungen eingegangen. Ich bäte daher um eine absolut offene Aussprache darüber. Wenn uns der Marschall sagen wolle, wie er über die Sache denke, könnten wir sie diskutieren und zu einem Einvernehmen kommen; er möge mir sagen, was er für die Verteidigung der russischen Westgrenze für erforderlich halte. Russland werde aus diesem vielleicht im nächsten Jahr endenden europäischen Krieg überwältigend stark hervorgehen und trage bei allen seinen Polen betreffenden Beschlüsse eine schwere Verantwortung. Ich für meinen Teil glaube, Polen könnte sich nach Westen verlagern, wie Soldaten, die seitlich wegtreten. Falls es dabei auf einige deutsche Zehen trete, könne man das nicht ändern; doch müsse Polen auf alle Fälle stark sein. Polen bilde eine im europäischen Konzert nötige Stimme.
Stalin erwiderte, die Polen seien ein Volk mit eigener Sprache und Kultur, das nicht ausgerottet werden könne. Es müsse bestehen bleiben.
“Wollen wir eine Grenzziehung versuchen?” fragte ich.
“Ja.”
“Ich habe keine Vollmacht vom Parlament, und meines Wissens hat auch Präsident Roosevelt keine, irgendwelche Grenzlinien zu vereinbaren. Doch könnten hier in Teheran die drei Regierungschefs im gegenseitigen Einvernehmen versuchen, eine Grundlage zu finden, die wir dann den Polen vorlegen und zur Annahme empfehlen können.”
Wir waren uns also einig, dass Problem zu prüfen. Stalin fragte noch, ob es ohne polnische Beteiligung geschehen solle, was ich bejahend beantwortete. Falls wir uns inoffiziell einigten, könnten wir später an die Polen herantreten. Eden warf hier ein, die am Nachmittag von Stalin gemachte Bemerkung, Polen könnte im Westen bis an die Oder vorrücken, sei ihm aufgefallen. Dieser Gedanke scheine ihm aussichtsreich und habe ihn sehr ermutigt. Stalin fragte, ob wir gedacht hätten, dass er Polen schlucken wolle. Eden erwiderte, wir wüssten nicht, was Russland alles zu verspeisen gedenke. Wieviel würde es unverspeist lassen? Stalin erklärte, die Russen wollten nichts, was anderen Völkern gehöre, nur aus Deutschland würden sie sich vielleicht auch einen Brocken herausschneiden. Eden meinte, was Polen im Osten verliere, könne es im Westen gewinnen. Stalin erwiderte, das sei möglich; er wisse es aber nicht. Ich demonstrierte dann mit Hilfe dreier Streichhölzer meine Gedanken über eine Westverlagerung Polens. Das gefiel Stalin, und damit löste sich unsere Gruppe für den Moment auf.
Churchill Memoiren, Fünfter Band, Zweites Buch, Von Teheran bis Rom, 49f.