Flucht, Vertreibung, Integration

Von Dezember 2005 bis April 2006 wird im Bonner „Haus der Geschichte“ die Ausstellung „Flucht – Vertreibung – Integration“ gezeigt. Das Thema „Vertreibung“ war in Deutschland über Jahrzehnte hinweg nahezu ein „Tabuthema“. Erst die „ethnischen Säuberungen“ in Ex-Jugoslawien und der Sinneswandel mancher Linksintellektueller ermöglicht nun den öffentlichen Diskurs über ein wenig aufgearbeitetes Kapitel deutscher Geschichte.

Am 3. Dezember eröffnete im „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ in Bonn eine Ausstellung unter dem Thema „Flucht, Vertreibung, Integration“. Einerseits kann man den Veranstaltern nicht absprechen, dass sie sich bemüht haben, mit zahlreichen Exponaten den Besuchern das Schicksal der Vertriebenen und den geschichtlichen Hintergrund dazu vor Augen zu führen. Doch bleibt letztere immer wieder an oberflächlichen, den tatsächlichen geschichtlichen Abläufen nicht gerecht werdenden Sichtweisen hängen.

Z.B. heißt es zu den Volksabstimmungen in Ostdeutschland nach dem ersten Weltkrieg, diese seien im südlichen Ostpreußen für Deutschland ausgegangen, aber in Oberschlesien nicht eindeutig gewesen. Deshalb sei eine Teilabtretung erfolgt.

„Das Ergebnis des Votums in Oberschlesien – 60 % stimmen für Deutschland und 40 % für Polen – veranlasst den Völkerbund zur Teilung der Region.“

Diese Formulierung unterschlägt und verfälscht ganz wesentliche Fakten: Zum einen nämlich, dass nur „doppelsprachige“ Gebiete in Oberschlesien abstimmungsberechtigt waren. Zum anderen kann man das Ergebnis durchaus als „eindeutig“ betrachten. Dazu muss man sehen, dass durch massive Repressalien gegenüber der deutschen Bevölkerung und mit Propaganda von polnischer Seite vor der Abstimmung das Ergebnis beeinflusst werden sollte.

Verwirrung gibt es auch bei den Zahlen. Die aus Schlesien vertriebenen Deutschen werden mit lediglich 3.222.600 angegeben. Es fehlt jedoch etwa eine Million, die in der Heimat festgehalten wurde und später als Aussiedler in die Bundesrepublik übersiedelten. Sie gelten aus guten Gründen ebenfalls als Vertriebene. Unterschlagen werden desweiteren die fast 750.000 Vertreibungstoten in Schlesien.

Auch die Interpretation des „Protokolls“ Potsdamer Konferenz vom 2. August 1945 ist als inkonsequent zu betrachten. In der Ausstellung kann man lesen:

„Die Konferenz von Potsdam vereinbart August 1945 die faktische Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. […] Die Deutschen aus den Ostgebieten sind ‚in ordnungsgemäßer und humaner Weise’ in die Besatzungszonen zu ‚überführen’.“

Tatsache ist, dass Stalin schon einige Wochen vor der Potsdamer Konferenz „vollendete Tatsachen“ geschaffen hatte. Er ließ die deutsch-polnische Grenze an der Oder und entgegen der Absprachen mit den Westalliierten an der westlichen (Lausitzer) Neiße fixieren. Als die Potsdamer Konferenz begann, war die Vertreibung der dortigen deutschen Bevölkerung schon längst im Gange. D.h. auf der Potsdamer Konferenz wurde diese „de facto – Grenze“ nicht „ratifiziert“, sondern mit Artikel IX die „endgültige Festlegung der Westgrenze Polens“ bis zu einer Friedenskonferenz zurückgestellt.

So sollten nicht die „Deutschen aus den Ostgebieten“ in ordnungsgemäßer und humaner Weise’ in die Besatzungszonen zu ‚überführen’ werden, sondern „lediglich“ die Deutschen in „Polen“…

Das ist ein ganz großes Manko der Ausstellung: Es wird nicht unterschieden zwischen den vertriebenen „Reichsdeutschen“ in den Gebieten, die von Polen und Russland annektiert wurden und den vertriebenen „Volksdeutschen“, die Staatsangehörige anderer Staaten waren.

In diesem Sinne kann es natürlich leicht fallen, die Vertreibung der Deutschen pauschal unter die Theorie der „ethnisch reinen Staaten“ zu subsumieren. Dass Deutschland ein Viertel seines ursprünglichen Reichgebietes beraubt wurde, wird dem Besucher leider nicht vor Augen geführt. Den damit verbundenen Vorwurf des Völkermordes (an den Schlesiern, Ostpreußen, Pommern…) möchte man damit erst gar nicht aufkommen lassen.

Quelle:

Rudi Pawelka: Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ – Ein misslungener Versuch der Aufklärung. In: Schlesische Nachrichten Nr. 3/2006.