Wir Nachgeborenen
Wir nachgeborenen Heimatvertriebenen sind die letzten Opfer des Zweiten Weltkriegs und werden bis heute quasi für damalige Verbrechen von deutscher Seite „bestraft“: Uns wurde entschädigungslos die Heimat unserer Vorfahren, ihre Mundart und ihr Brauchtum, unser familiäres und vor allem unser Kulturerbe geraubt. Unsere Menschenrechte werden bis heute ignoriert, obwohl die meisten von uns erst viele Jahre nach dem Krieg geboren worden sind.
Wie ZEIT ONLINE berichtet, hat der Nachfolger von Erika Steinbach, der neue BdV-Vorsitzende Bernd Fabritius, in einem Interview mit der polnischen Zeitung Rzeczpospolita die Vertreibung von Millionen Deutschen durch Polen nach dem Zweiten Weltkrieg als „Verbrechen“ und „schweren Fehler“ kritisiert.1)ZEIT ONLINE 10. November 2014 -abgerufen am 11.11.2014
Innerhalb weniger Stunden wurde dieser Bericht heftig kommentiert und diskutiert. Potsblits hat die einzelnen Kommentar gelesen und analysiert. Vorweg gesagt: Die meisten Kommentatoren hetzen und provozieren und sind wenig vom Geist der allgemeinen und uneingeschränkt geltenden Menschenrechte beseelt, obwohl diese – im Unterschied zu „damals“ – bereits seit 1948 in gründlich ausformulierter Weise vorliegen und bekannt sind.
Unrecht rechnen sie gegen Unrecht auf und lassen sich dabei von der Kollektivschuldthese leiten:
Deutschland hat sich die Folgen des zweiten Weltkriegs, all die zerstörten Städte und all die Vertriebenen selbst zuzuschreiben, Punkt. Deutschland war der Auslöser des zweiten Weltkriegs und hat sich letztendlich auch alle Kriegsverbrechen die hier geschehen sind zu Verantworten. Wer einen Weltkrieg mit 60 Millionen Toten anzettelt muss sich nicht Wundern wenn das Land danach in Trümmern liegt.Attox, 10.11.2014, 18:15 Uhr
Ein paar wenige, mutige Kommentatoren, die die Menschenrechte verstanden haben, bieten der pöbelnden Mehrheit die Stirn. Ein Forist entgegnet z.B., dass man ethnische Säuberungen beim Namen nennen muss, damit das Völkerrecht gestärkt wird:
Die Vertreibung der Deutschen aus den von ihren Vorfahren seit Jahrhunderten besiedelten Gebieten war eine ethnische Säuberung. Ethnische Säuberungen sind immer und unter allen Umständen Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Artikel 7 des Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs).vahjen, 10.11.2014, 19:12 Uhr
Ein weiterer Forumsteilnehmer stellt fest, dass Sippenhaftung und Vergeltung erlittenen Unrechts an beliebigen Personen, deren einziges „Verbrechen“ die falsche Ethnie sei, kein gültiges Rechtsprinzip sein könne (vgl. Azenion, 10.11.2014, 19:36 Uhr). „Schneegrienchen“ fragt: „Wer hat denn hier einen Knall? Diejenigen, die Verbrechen leugnen und rechtfertigen, gar in Anführungsstriche setzen, oder diejenigen, die auf sei hinweisen?“ (Vgl. Schneegrienchen, 10.11.2014, 20:13 Uhr)
Gerne wird auch argumentiert, dass Polen nach all dem Leid, das Deutsche über sie und ihr Land gebracht hatten, einfach nicht mehr mit Deutschen hätten zusammen leben wollen… Dieses Argument übersieht, dass in den mit Hilfe von Stalin annektierten ostdeutschen Gebiete überwiegend bis überhaupt keine Polen lebten. Die Polen, die (zwangsweise) dorthin umgesiedelt wurden, sollten gemäß einer „slawischen Lebensraumideologie“ diese deutschen Gebiete slawisieren bzw. polonisieren.
„Boytino“ erkennt, dass die Vertreibung der Deutschen keine unmittelbare Folge des 2. WK gewesen war. Die Vertreibung sei dem Sieg des Stärkeren geschuldet, der sich hätte nehmen können, was immer er auch wollte und was er auch getan habe. Polen habe das bekommen, was es immer hatte haben wollen: die deutschen Ostgebiete, weil ja dort vor mehr als 800 Jahren einmal Slawenstämme gelebt hätten… (Boytino, 10.11.2014, 21:00 Uhr). Dazu passt die Bemerkung von „Jukos“, als Nächstes würden nun die Italiener kommen und wollten das alte Römische Reich wieder aufbauen… Eine ironische Entgegnung, die Jukos paradoxerweise gegen die Deutschen richtet… (Jukos, 10.11.2014, 19:05 Uhr).
Kommentator „UP“ wendet sich gegen das Aufrechnen von Unrecht und erläutert zum verunglimpften Bund der Vertriebenen:
Der Verband vertritt auch „seine“ auf der Flucht getöteten Vertriebenen. Millionen Tote, für den sich der Rest der Welt nicht interessiert hat. Millionen Vertriebene. Zwischen Säuglinen und Greisen. Alles Schuldige? Dieses Leid kann niemand Aussenstehender fassen. 1000 Jahre haben Generationen aufgebaut. In 6 Jahren Krieg alles verloren. Was ist seitdem Vergleichbares geleistet worden?
Hierzu bitte einfach den Mund halten. Oder differenzieren. Rückblickend schlauer und besserwisserisch aufzutreten, bedeutet für die Vertriebenen, sich von intellektuellen Sozialfällen beleidigen zu lassen.UP, 10.11.2014, 21:15 Uhr
Kommentator „Bemme“ betrachtet die „ehem. deutschen Gebiete“ als eine für Deutschland günstig ausfallende „Reparationszahlung an Polen“. Dabei vergisst er, dass es sich bei diesen „Gebieten“ um vorstaatliches Eigentum handelt, das überhaupt nicht dem Deutschen Reich, sondern der dortigen Bevölkerung gehörte. Zudem ist seine (Auf-)Rechnung lediglich für die nicht-vertriebenen (Rest-) Deutschen „günstig“. D.h. Bemme kann nicht erklären, warum alleine die Ostdeutschen für solche menschenrechtswidrigen „Reparationszahlungen“ hatten bluten müssen. Zudem verschweigt er, dass die Alliierten auf der Potsdamer Konferenz klar beschlossen hatten, dass die Sowjetunion „die Reparationsansprüche Polens aus ihrem eigenen Anteil an den Reparationen befriedigen“ werde – Vgl. Potsdamer Protokoll, Artikel IV. Reparationen aus Deutschland2)Potsdamer Protokoll, Artikel IV. Reparationen aus Deutschland.
Auch „Jasiu“ behauptet realitätsfern, alle annektierten deutschen Ostgebiete seien doch irgendwann mal (vor vielen hunderten von Jahren) polnisch gewesen. Die Geschichte der Grafschaft Glatz in Schlesien scheint er wohl nicht zu kennen.
Lügen haben kurze Beine, Geschichtslügen noch kürzere…
Quellen
↑1 | ZEIT ONLINE 10. November 2014 -abgerufen am 11.11.2014 |
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↑2 | Potsdamer Protokoll, Artikel IV. Reparationen aus Deutschland |