Zentrum gegen Vertriebene?
Man muss kein Wal sein, um sich für Wale einzusetzen. Mit diesen Worten verteidigte Erika Steinbach sich einmal gegen die Infragestellung ihres Status als “Vertriebene” bzw. als Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen. In den heute-Nachrichten stellte sich nun der Europa-Abgeordnete und Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, hinter Erika Steinbach. Sollte Erika Steinbach nicht in den Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibungen, dessen Mitinitiatorin sie ist, aufgenommen werden, würde die Sudetendeutsche Landsmannschaft aus dem Projekt aussteigen und eigene Wege gehen.
Der Streit um die Besetzung des Stiftungsrats des Zentrums gegen Vertreibungen, das in zwei Jahren in Berlin eröffnet werden soll, schwelt weiter. Wie es aus dem Kanzleramt hieß, will sich Angela Merkel Zeit lassen mit der Besetzung des Stiftungsrats. Die SPD und die Grünen drängen auf eine schnelle Lösung.
Mit Bernd Posselt MdEP, der seit 1975 führend in der Paneuropa-Bewegung1)Paneuropa-Bewegung http://www.paneuropa.org/ – Stand: 23. Februar 2009 tätig ist, wendet sich nun die Sudetendeutsche Landsmannschaft gegen eine Ausgrenzung Erika Steinbachs aus dem Stiftungsrat:
Ohne das Gütezeichen Erika Steinbach wäre das Zentrum gegen Vertreibungen ein Zentrum gegen Vertriebene – und das akzeptieren wir nicht.2)Homepage: Bernd Posselt MdEP, Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft
Von polnischer Seite wird offenbar mal wieder eine ideologische Kampagne nicht nur gegen Erika Steinbach sondern auch gegen die deutschen Heimatvertriebenen insgesamt veranstaltet. In der heute-Sendung um 19 Uhr hieß es, Polen würde der BdV-Präsidentin vorwerfen, die Vertreibung der Deutschen aus Polen einseitig zu betrachten, die Vertriebenen nur in der Opferrolle zu sehen. Steinbach stehe für Konfrontation, nicht für Versöhnung.
Ideologisch und teilweise auch rassistisch sind diese Anschuldigungen aus folgenden Gründen:
1. Die meisten von sowjetisch-polnischen Behörden vertriebenen Deutschen wurden nicht aus Polen vertrieben, sondern aus den angestammten, ostdeutschen Gebieten. Diese hatte Polen mit Hilfe Stalins mit Ende des Zweiten Weltkriegs annektiert.
2. Die deutschen Vertrieben (meist Frauen, Kinder und Ältere) waren in ihrer größten Mehrheit nur Opfer (!) Was sollen sie denn nach polnischer Meinung verbrochen haben, dass man meint, sie bestrafen zu müssen, indem man sie bei “Nacht und Nebel” und oftmals vor allem Winter (!) aus ihren Häusern treibt, ihnen alles raubt, viele von ihnen in Internierungslager steckt und viele ermordet und foltert?
3. Erika Steinbach steht für Versöhnung – jedoch für eine Versöhnung, die die Wahrheit nicht ausklammert!
Es ist wichtig, dass nun aufgeklärte und nüchterne Menschen wie Bernd Posselt Erika Steinbach den Rücken stärken. Posselt gründete die Paneuropa-Jugend Deutschland und machte sie in den Siebzigerjahren zur aktivsten europäischen Jugendorganisation im Bundesgebiet. Heute liegen ihm vor allem das deutsch-französische und das deutsch-tschechische Verhältnis am Herzen sowie der Einsatz für christliche Grundsätze.
Die Paneuropa-Bewegung, die sich für ein demokratisches Gesamt (griech: Pan)- Europa einsetzt, scheiterte zunächst am Nationalismus der europäischen Staaten, an der Weltwirtschaftskrise und am Aufstieg Hitlers. Dieser ließ die Paneuropa-Union verbieten und verfolgen, ihre führenden Repräsentanten, vor allem Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi (1894–1972) und Otto von Habsburg (*1912), mußten in die USA fliehen. Nach Kriegsende zurückgekehrt, durften sie erleben, wie ihre Ideen in der freien Westhälfte Europas einen Siegeszug antraten und von christlichen Staatsmännern wie Adenauer, Schuman, de Gasperi und de Gaulle schrittweise in die Tat umgesetzt wurden.
Weiterführende Hinweise
Potsblits: [cref bartoszewski-in-berlin]
Potsblits: [cref prominente-unterstuetzen-zentrum-gegen-vertreibungen]
Quellen
↑1 | Paneuropa-Bewegung http://www.paneuropa.org/ – Stand: 23. Februar 2009 |
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↑2 | Homepage: Bernd Posselt MdEP, Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft |
Lukas
24. Februar 2009 @ 09:45
Lieber Potsblits,
wie immer bewundere ich deine Artikel, bei denen man immer wieder etwas neues über die Vertriebenen lernen kann. Heute habe ich nun diesen Beitrag aus aktuellem Anlass gelesen und fand ihn wiederum sehr informativ. Allerdings störte mir folgender Absatz, der, wie ich denke, zu verschwommen klingt und weitere Erklärungen und vor allem Zahlenbeispiele erfordert:
“2. Die deutschen Vertrieben (meist Frauen, Kinder und Ältere) waren in ihrer größten Mehrheit nur Opfer (!) Was sollen sie denn nach polnischer Meinung verbrochen haben, dass man meint, sie bestrafen zu müssen, indem man sie bei “Nacht und Nebel” und oftmals vor allem Winter (!) aus ihren Häusern treibt, ihnen alles raubt, viele von ihnen in Internierungslager steckt und viele ermordet und foltert?”
Was heißt “viele” hier, wer sind diese genau, wie “viele” wurden denn gefoltert und ermordet? Von wem und warum?
Jörg Lau von der Zeit hat übrigens einen ähnlichen Artikel zu Steinbach verfasst, der sehr umfangreich ist und viele Hintergrundinformationen enthält. Der Beitrag ist zu finden unter: “http://blog.zeit.de/joerglau/2009/02/23/erika-steinbach-gedenken-mit-schmiss_2087”
Beste Grüße,
Lukas
http://www.andersdenken20.de
Potsblits
11. März 2009 @ 07:15
Hallo Lukas,
Prof. Dr. jur. u. phil. Alfred de Zayas schreibt in seinem Buch “Die deutschen Vertriebenen. Keine Täter – sondern Opfer” auf den Seiten 159f:
“In Oberschlesien wurde das frühere Nazi-Lager Lamsdorf in ein Internierungslager für Deutsche, die vertrieben werden sollten, umgewandelt. Hier kamen vom August 1945 bis zum Herbst 1946 insgesamt 6.480 Deutsche um, darunter 623 Kinder.
[…]
Lamsdorf war keinesfalls das einzige Lager, wo Deutsche massenhaft zu Tode kamen. Aus einem vertraulichen Bericht von R.W.F. Bashford an das Foreign Office geht hervor: ‘Die Konzentrationslager sind nicht aufgehoben, sondern von den neuen Besitzern übernommen worden. Meistens werden sie von polnischer Miliz geleitet. In Swientochlowice (Oberschlesien) müssen Gefangene, die nicht verhungern oder zu Tode geprügelt werden, Nacht für Nacht bis zum Hals in kaltem Wasser stehen, bis sie sterben. In Breslau gibt es Keller, aus denen Tag und Nacht die Schreie der Opfer dringen.’ (FO 371/46990)
In einem ähnlichen Bericht vom 28. August 1945, der im amerikanischen Senat behandelt wurde, heißt es: ‘Im oberschlesischen Y. ist ein Aussiedlungslager eingerichtet worden, in dem zur Zeit tausend Menschen untergebracht sind … Viele von ihnen leiden an Hungersymptomen; es gibt Fälle von Tuberkulose und immer neue Typhusfälle. … Zwei Leute, die schwer an Syphilis erkrankt waren, sind auf eine sehr einfache Weise behandelt worden: man hat sie erschossen. … Gestern wurde eine Frau aus K. erschossen und ein Kind verwundet…’ (Evacuation and Concentration Camps in Silesia, Congressional Record, Senate, 2. August 1946, Anhang A-4778/79.)
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz erhielt ähnliche Berichte und bemühte sich seit Kriegsende, einen ständigen Deligierten nach Polen zu entsenden. Erst am 27. Juni 1947 konnte ein IKRK-Delegierter ein Internierungslager besichtigen. Zwar waren im Sommer 1947 die meisten Deutschen bereits vertrieben oder in den Lagern umgekommen. Es blieben aber immer noch Lager übrig, zu denen man das IKRK nicht zuließ.”