Der historische Zusammenhang

In ihrer gemeinsamen Erklärung anlässlich des 70. Jahrestags des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 wenden sich die deutschen und polnischen Bischöfe gegen „einseitige geschichtliche Interpretationen“. Zudem fordern sie den „Verzicht auf Stereotypen“ und die „Fähigkeit zum Bekennen von Schuld und zum Verzeihen“. Unrecht, das von deutscher Seite ausging und Unrecht, das Deutschen angetan wurde, verurteilen sie gleichermaßen.

Diese kirchliche Erklärung mit dem Datum vom 25. August 20091)Deutsch-polnische Erklärung zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vom 25.08.2009 machte gemäß der Würzburger Zeitung „Die Tagespost“ in Polen Schlagzeilen. Dabei habe das polnische Fernsehen jedoch nicht die „theologische Friedensperspektive und Versöhnungsgeste“ in den Mittelpunkt gestellt, sondern die „historische Dimension von Schuld und Verbrechen“. Damit aber tut das polnische Fernsehen genau das, wovor die deutschen und polnischen Bischöfe warnen: „die in der Geschichte geschlagenen Verletzungen propagandistisch auszubeuten und, gestützt auf einseitige geschichtliche Interpretationen, Ressentiments zu schüren“.

Z. B. hat offenbar ein polnischer Fernsehmoderator behauptet – untermalt von historischen Kriegsbildern und kommentiert durch einen polnischen Historiker – dass die Deutschen mit den Vertreibungen begonnen hätten. Seine Behauptung ging sogar soweit, dass er diese Aussage den Bischöfen quasi in den Mund legte. Sicherlich, diese wollen nicht „den inneren Zusammenhang und die Abfolge der Geschehnisse verkennen“ doch wollen sie auch „mangelnder Wahrhaftigkeit im Umgang mit der Geschichte weiterhin entschieden entgegentreten“.

D.h. zu einem wahrhaftigen Umgang mit der Geschichte gehört, dass auch der Angriffskrieg Hitlers gegen Polen in den historischen Zusammenhang gestellt werden muss:

Auf dem Tag der Heimat in Berlin am 22. August 2009 zitierte die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), den US-Publizisten Harold Callender, der in der New York Times vom 11.01.1931 von einer Vertreibung von „einer Million Deutschen aus Polen“ berichtete.2)Harold Callender: Germany’s Lost Lands: Areas of Friction. In: New York Times vom 11. Januar 1931 Polen hatte also bereits zwei Jahre vor der Machtergreifung durch Hitler damit begonnen, auf seinem neuen Staatsgebiet Menschen direkt und indirekt zu vertreiben!

Über die völkerrechtswidrige Abtrennung Oberschlesiens von Deutschland im Jahre 1921 schreibt Callender in derselben Ausgabe der New York Times:

Polen erhielt Oberschlesien auf seltsame Weise – durch eine Art Glücksfall. Der Friedensvertrag bestimmte, dass eine Volksabstimmung unter der Beobachtung einer interalliierten Kommission abgehalten werden sollte. Die Polen versuchten einer Abstimmung durch eine gewaltsame Eroberung des Gebiets zuvorzukommen und viele Deutsche wurden getötet. Als die Volksabstimmung letztlich 1921 abgehalten wurde, gab es 717.122 Stimmen für Deutschland und 483.514 für Polen. Die alliierte Kommission befand sich in einem Dilemma: die Franzosen wünschten, dass ohne Rücksicht auf das Abstimmungsergebnis der größte Teil der Industrieregion Polen gegeben wird, während die Briten darauf beharrten, dass dies unfair wäre. Angesichts dieser Meinungsverschiedenheit nahmen die Polen die Sache selbst in die Hand und inszenierten einen Aufstand, der darin resultierte, dass Korfanty sich zum Diktator ausrief und die Führung über den größten Teil der Provinz übernahm. Deutsche Verteidigungskräfte bekämpften die Polen, doch konnten sie sie nicht aufhalten. Nach sieben Monaten erreichten die Alliierten einen Kompromiss, indem sie die Entscheidung einer Kommission des Völkerbundes übertrugen. Poland erhielt letztendlich ein Gebiet, das 1.124.000 Menschen und etwa drei-viertel des materiellen Vermögens umfasste: 77% der Kohleproduktion, drei-fünftel der Eisen- und Stahlproduktion und 83% der Produtionsgüter.Harold Callender, New York Times, 11. Januar 1931. (Übersetzung aus dem Englischen: Potsblits)

Die aufständischen Polen hatten also mit französischer Unterstützung schließlich erreicht, dass entgegen der Volksabstimmung in Oberschlesien diese Region Deutschlands künstlich geteilt wurde, wobei ein Großteil der industriellen Produktion in polnische Hände fiel. Hans Lukaschek, Oberschlesier und erster Bundesvertriebenenminister Deutschlands (1949-1953), der selbst im Widerstand gegen Hitler tätig war und nach dem Attentat vom 20. April 1944 gegen Hitler verhaftet und gefoltert worden war, stellte in einem Rückblick fest:

Was damals an Unrecht geschah, das hat zur Folge gehabt, dass es zum Zweiten Weltkrieg gekommen ist, denn es hatte im deutschen Volk den Glauben an Gerechtigkeit untergraben. Die damaligen Ereignisse haben Hitler den Weg bereitet. Man darf das nicht vergessen.Zitat Hans Lukaschek in: Herbert Hupka, Schlesisches Credo, Langen Müller, München 1986, 156.

Gemeinsame Erklärung 2005

Wir bitten um Vergebung?

Volksabstimmung in Oberschlesien

Quellen

Quellen
1 Deutsch-polnische Erklärung zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vom 25.08.2009
2 Harold Callender: Germany’s Lost Lands: Areas of Friction. In: New York Times vom 11. Januar 1931