Stolperstein und Brückenbauer

Zur Landesdelegiertenversammlung der Landsmannschaft Schlesien im Haus der Heimat in Stuttgart sprach Bernard Gaida, Vorsitzender der deutschen Volksgruppe in Polen, über die Situation der deutschen Minderheit in Schlesien. Diese war lange Zeit einem massiven Polonisierungsdruck unterworfen. Um ihre Brückenbauerfunktion zwischen Polen und Deutschen wahrnehmen zu können erwartet Gaida moralische Unterstützung von der deutschen Politik.

Bernard Gaida
Bernard Gaida (VdG)
Foto: Potsblits”

Seit Mai 2009 steht Bernard Gaida an der Spitze des Verbandes der sozial-kulturellen Gesellschaften der Deutschen in Polen (kurz: VdG)1)Bernard Gaida neuer VdG-Vorsitzender . Dieser Zusammenschluss wurde erst mit der Wende 1989 möglich. Von 1945 an waren die nicht-vertriebenen Deutschen, die als moderne Arbeitssklaven zurück gehalten wurden, einer massiven Assimilierung unterworfen. Lange Zeit durften sie selbst in den Privathäusern nicht deutsch sprechen. Wer es trotzdem tat, wurde oftmals zur Strafe in ein Arbeitslager eingeliefert. Der polnische Bürgermeister von Guttentag (seit 1945/1991: Dobrodzień), der oberschlesische Ort aus dem Bernard Gaida stammt, verhängte allerdings nur Geldstrafen. Guttentag trägt seit 2009 offiziell ein zweisprachiges Ortsschild. Die Straßennamen sind weiterhin nur auf Polnisch.

Die Folge der erzwungenen Polonisierung Ostdeutschlands ist, dass heute lediglich etwa ein Viertel der verbliebenen Deutschen bzw. ihrer Nachfahren die deutsche Sprache beherrscht. Zwischen 1945 und 1990 war nur eine Mittelschule, an der Deutsch gelehrt werden durfte, zugelassen. In den Schulen im restlichen Polen dahingegen war Deutsch als Fremdsprache durchaus erlaubt. Noch in den 70er-Jahren, als die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland sich entspannten, erhielt ein Schlesier, der versuchte, einen Lehrer zu engagieren, um Deutschunterricht zu ermöglichen, Besuch von der polnischen Geheimpolizei. Sie drohten ihm mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes, wenn er es versuchen sollte, den langjährigen Polonisierungsaufwand rückgängig machen zu wollen.

Bernard Gaida, dessen Vater es später vorzog in Schlesien zu verbleiben, statt nach Deutschland auszureisen (um dort nicht als Pole gelten zu müssen), sieht heute die deutsche Minderheit in Polen immer noch als Stolperstein. Allerdings auch als Brückenbauer zwischen Deutschen und Polen. Nur: Mit einer schwachen Identität schaffen sie es nicht. Um eine Brücke errichten zu können, müssen zwei vorbereitete Ufer existieren. Von der deutschen Politik und von deutschen Politiker, die nach Polen kommen erwartet Gaida deshalb, dass sie die Deutschen in Polen nicht als Hilfeempfänger betrachten, sondern als Partner und dass sie sie moralisch unterstützen.